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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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entzog mir ihren Arm.
    »Und?« Tamara tauchte auf ihrer anderen Seite auf. »Er ist es nicht, oder?«
    »Doch«, sagte Claudia mit geschlossenen Augen.

          Es wurde eine endlose Nacht. Claudia saß am Küchentisch, und vor ihr baute sich eine Schlange aus Kaffeetassen auf. Sie trank einen Schluck und stellte die Tasse ab, nach einiger Zeit wurde der Kaffee kalt, und ich kochte ihr neuen. Ich hatte Angst, dass sie vom Stuhl fallen würde. Immer wieder kam es mir vor, als säße eine fremde Frau in Claudias Kostüm vor mir, und ich wollte sie schütteln und schreiend von ihr verlangen, meine Mutter wieder herauszurücken.
    Sie erzählte nichts. Tamara saß Claudia gegenüber, fingerte an den Henkeln der Kaffeetassen herum und stellte Fragen, von denen mir schlecht wurde. Ich wollte mir nicht ausmalen, was sie bei Claudia auslösten. Sie wollte wissen, wie er ausgesehen habe, ob sein Gesicht friedlich, ob er nackt gewesen sei, ob er ein Schildchen am großen Zeh gehabt habe, wie man es aus dem Fernsehen kennt, und ob Verletzungen sichtbar gewesen seien. Claudia schüttelte immer wieder den Kopf, als würde sie einen Schwarm Fliegen abwehren, aber Tamara ließ nicht locker, bis ich mit der Faust auf den Tisch schlug und »SEI ENDLICH STILL!« brüllte.
    Tamara blinzelte mich erstaunt aus tränennassen Augen an, und Claudia legte mir die Hand auf den Unterarm, die so schwach war, dass sie wieder herunterrutschte. »Schrei sie nicht an.«
    Ich sah zwischen den beiden hin und her.
    »Bring sie ins Bett«, sagte Claudia tonlos.
    Ich richtete mich gehorsam auf und bot Tamara meinen Arm. Ich rechnete mit Protest, aber sie ließ sich von mir hochziehen und ging, schlurfend wie eine alte Frau, an meiner Seite die Treppe hoch. Ich begleitete sie bis zur Schlafzimmertür und blieb unschlüssig stehen. Tamara schlang den Arm um meinen Hals und drückte mir einen Kuss auf die Nase. Ich versuchte ihn zu erwidern, meine Lippen rutschten über ihre salzige Wange, dann stieß sie mich von sich und verschwand hinter der Tür.
    Ich blieb davor stehen und lauschte auf die Geräusche, die sie machte, das Rauschen des Wassers in der Dusche, die schlurfenden Schritte durch den Raum, erst als die Matratze unter ihr quietschte, kehrte ich zu Claudia zurück.
    Sie saß immer noch in derselben Haltung da, in der ich sie zurückgelassen hatte, und drehte eine Zigarette zwischen den Fingern. Ich holte eine Packung Streichhölzer aus dem Küchenschrank und gab ihr Feuer. Sie zog fest an der Zigarette, dann hustete sie und hielt sie in eine der Kaffeetassen. Es zischte. Claudias Gesicht war gerötet, in den Augen standen Tränen, vielleicht kamen sie auch vom Husten.
    Ich legte ihr die Hände auf die Schultern und erschrak darüber, wie schmal und zerbrechlich sie sich anfühlten. Von oben schaute ich auf ihren Scheitel, die grauen Haare, die unter dem Honigblond nachgewachsen waren.
    »Mama«, sagte ich. »Bitte geh schlafen.«
    Sie schüttelte den Kopf und zeigte auf den Stuhl neben sich. Ich ließ mich auf den Sitz fallen. Sie nahm meine Hand, ihre Finger waren kalt und zitterten.
    »Hast du wenigstens im Auto geschlafen?«
    Sie schüttelte wieder den Kopf.
    »Sie waren alle sehr nett«, sagte sie. »Der Bestatter hatte von unterwegs bei der Polizei angerufen, dass wir gleich kommen, und sie hatten schon alles vorbereitet. Ich musste nur kurz rein und sagen, ja, das ist er. Ich habe ihn natürlich sofort erkannt. Er sieht aus, als würde er schlafen. Hat einen Kratzer auf der Stirn und ist ganz kalt.«
    Ich drückte ihre Hand.
    »Ich bin froh, dass ich ihn gesehen habe«, sagte sie. »Ich bin froh, dass er jetzt da ist. Ich bin froh, dass er gut aussieht. Mir geht es gut damit.«
    Ich nickte, als würde ich ihr glauben.
    »Du musst es Tammy sagen«, sagte Claudia. »Sie ist die Witwe, sie hat ein Recht darauf zu erfahren, wie es gewesen ist. Aber ich schaffe es nicht, mit ihr darüber zu sprechen.« Ich drückte wieder ihre Hand, das sollte Zustimmung bedeuten. »Ich weiß, das ist hart für dich, aber ich bitte dich darum.«
    Ich schüttelte den Kopf, um ihr klarzumachen, dass es nicht hart für mich war. Ich bekam keine Worte heraus. Außerdem war ich furchtbar müde, draußen begann es schon wieder heller zu werden.
    Und dann legte Claudia ihren Kopf auf die gekreuzten Arme und schluchzte.

          Ich träumte gerade von Marlon, als jemand an mir rüttelte. Ich riss die Augen auf und sah Claudia, nicht die Claudia von gestern,

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