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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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ihnen nichts. Wenn es nach dem Guru ging, waren sie Halbgeschwister.
    Und meine dazu.
    Ich warf den Kopf zurück und lachte mich kaputt.

    Es waren schöne Aufnahmen, verwackelt, aber stimmungsvoll, als wären sie nicht vergangene Woche, sondern vor Jahrzehnten aufgenommen worden. Die Art Filme, die man seinen Enkeln zeigt. Das bin ich, als ich noch jung war. Da war ich gemeinsam unterwegs mit meinen … äähh … egal. Das ist eure Großtante Janne. Sie war so schön damals. Und Marlon hätte mir damals sicher die Nase gebrochen, wenn er nicht blind wie ein Maulwurf gewesen wäre. Da habe ich also ganz schön Glück gehabt. Was mit eurem Großonkel Friedrich passiert ist, das müsst ihr ihn selber fragen, das habe ich nie verstanden. Hier sieht er noch wie ein billiges Riesenkuscheltier von der Kirmes aus. Irgendwie hatte er da vorgehabt, den Löffel abzugeben, und es sich dann anders überlegt. Vielleicht hat er rausgefunden, dass er die Erbkrankheiten gar nicht haben kann, die er die ganze Zeit so gehätschelt hat.
    Ich drehte den verrauschten Ton herunter und schloss die Augen. Ich hatte sie nicht einmal verabschiedet, weil ich, als sie abreisten, gerade mit der Witwe meines Vaters im Bett lag. Andererseits hatte ich sie nicht gebeten zu kommen. Ich hatte mich von ihnen eher belästigt als geehrt gefühlt.
    Meine Finger strichen über die Tasche. Sie hatte einige Seitentaschen, irgendwas knisterte darin, ich zog es heraus, weil es sich zuerst wie ein Geldschein angefühlt hatte. Aber es war einfach ein Stück Papier, mehrmals zusammengefaltet, bis es ganz klein war. Ich nahm es auseinander und strich es glatt.
    Es war eine Liste, auf der Namen standen. Ziemlich viele Namen, daneben ein paar Zahlen, dahinter in Klammern weibliche Vornamen. Geburtstage: Drei Jahre vor meinem fing es an und endete zwei Jahre später. Mütter mit ihren Kindern. Es war ganz einfach, unsere sechs zu finden. Sie waren alle mit einem Stern markiert.
    Ich wollte nicht, dass irgendjemand dachte, ich hätte Freunde. Schon gar nicht solche. Wir würden auch nie Freunde werden. Es war in Wirklichkeit viel schlimmer. In Wirklichkeit war alles immer schlimmer. Und komischer.

          Ich konnte keine Klingel am Tor finden, also klopfte ich mit der Faust dagegen und schob es auf. Ich wusste noch, wie ich hier früher immer vorbeigelaufen war auf dem Weg zum Kindergarten. Der Duft nach Pferden und Stroh war unterm Tor hindurch auf die Straße gekrochen und hatte mich berauscht. Manchmal war ich stehen geblieben und hatte gewartet, dass das Tor endlich aufging und das Pferd rauskam, von dem ich sicher war, dass es da drin wohnen musste. Aber es war kein einziges Mal passiert.
    »Herein!« rief eine Frauenstimme, aber da stand ich schon drin.
    Sie war klein und rund und hatte ein Lächeln, das mich an Lucy erinnerte. Sie war etwa fünfzig Jahre alt, vielleicht auch älter. Sie sah mich ein wenig erschrocken an, ich hob die Faust mit dem Aushang, den ich beim Edeka von der Wand gerissen hatte.
    »Sind sie noch da?«
    »Na klar. Alle.« Sie lächelte wieder und führte mich in den Stall. Dort stand eine Werkbank, daneben gestapeltes Holz. An der Wand hing ein riesiges, von einer Schlingpflanze umranktes Wagenrad.
    »Hier.« Die Frau berührte mich vorsichtig am Ärmel, als ich die falsche Richtung ansteuerte. Sie drückte mir ein paar krümelige, faulig riechende Brocken in die Hand. »Gib es der Mutter.«
    Die Mutter leckte meine Hände, nachdem ich ihr die Brocken hingehalten hatte. Ihre kitzlige warme Zunge suchte die Zwischenräume zwischen meinen Fingern nach verbliebenen Krümeln ab. Sie hatte eine spitze Schnauze und kluge Augen. Drei dicke Kinder rannten bellend auf mich zu und wuselten um meine Füße.
    »Alle drei?« Die Frau sah mich kurz an und drehte das Gesicht wieder zur Sonne. Ich ging in die Hocke, um die Mutter zu streicheln.
    »Nein«, sagte ich. »Leider nur zwei.«
    Sie gab mir einen zerrupften Weidenkorb, legte ihn mit einer zerschlissenen Wolldecke aus, und gemeinsam fingen wir zwei der Welpen ein, einen rötlichen und einen schwarz gefleckten, und setzten sie hinein. Sie stupsten sich gegenseitig an und fiepten. Die Frau erzählte etwas über Chips und Impfungen, aber ich hörte nicht zu. Ich streichelte die Welpen abwechselnd. Dann hielt ich der Frau einen Hunderter hin.
    Sie nahm ihn und steckte ihn in die Tasche, die vorn an ihrer Schürze angebracht war.
    »Ich kann sie nicht verschenken. Was nichts kostet, ist

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