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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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hinterher. In meiner Kehle loderte es. Schon lange hatte ich mich nicht mehr so leicht gefühlt.
    Evgenija hatte sich über ihr schwarzes Kostüm eine rote Schürze gebunden, Claudia, den Rock nur um wenige Zentimeter länger, eine getigerte. Ich hatte Mühe, sie im Zigarettendunst auseinanderzuhalten. Sie standen am Herd, rührten in Töpfen, holten Backbleche aus dem Ofen und kommandierten Tammy herum. Tammy hörte aber nicht auf sie. Sie bewegte sich durch das Stimmengewirr wie ein Fisch im Aquarium, im Gesicht ein Lächeln, das mir Sorgen machte. Immer wieder hielt sie an und setzte sich zu einem der handverlesenen Gäste. Vielleicht verwechselte sie die Trauerfeier mit einem Sektempfang.
    Manche der Männer, mit denen sie sich unterhielt, kamen mir vertraut vor, in einem erkannte ich den Bürgermeister, der schon in meiner Kindheit das Amt innegehabt hatte, einen anderen hatte ich mal im Fernseh-Interview in einer Boulevard-Sendung gesehen, er hatte einen perversen Mörder verteidigt. Sie küssten Tammys Hände, legten die knotigen Altherrenhände auf ihren Hinterkopf, drückten ihre Mädchenstirn väterlich gegen ihre schwarz betuchten Schultern, verharrten eine Weile, ließen sie wieder los und starrten ihr mit trauerumflorten Augen in den Ausschnitt. Einige von ihnen schnäuzten sich dabei laut in badetuchgroße Stofftaschentücher mit einem gestickten Monogramm. Wieso heulen sie alle, fragte ich mich dann. Bis es mir wieder einfiel.
    Es war schwierig, sich durch den Raum zu bewegen, überall standen Tische und Stühle und Bänke, draußen im Garten ebenfalls, aber ich hielt es nicht an einer Stelle aus, ich folgte Tammy durch den Raum. Ich hatte Angst, dass etwas Furchtbares passieren könnte, und wollte sie auffangen, wenn es so weit sein würde. Ich stolperte über Handtaschen und ausgestreckte Beine, einmal fiel ich dabei auf Kevins Schoß, der mich fest an sich drückte und mir die Wangen mit dem Handrücken abwischte.
    »Was für einen tollen Ziehpapa du gehabt hast!« sagte er, und an seinen verschmierten Wimpern hingen dicke Mascara-Tropfen.
    »Wie bitte?« Ich unternahm einen halbherzigen Versuch, mich wieder aufzurichten, aber meine Beine wollten mich nicht halten. »Wovon redest du?«
    »Er muss unglaublich gewesen sein.«
    »Du bist betrunken. Du kanntest ihn doch gar nicht.«
    »Wenn er nicht so toll gewesen wäre, wären all die Leute nicht gekommen.«
    »Er war Rechtsanwalt, Kevin. Das sind Kunden und Kollegen. Sie wissen, was sich gehört.«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf, und merkwürdige Aschepartikel verteilten sich aus seinen Haaren auf meinem schwarzen Jackett.
    Ich schaffte es endlich, auf die Beine zu kommen, ließ aber die Hand auf seiner Schulter.
    »Ich bin total gerührt, dass ihr alle gekommen seid«, lallte ich. »Ehrlich.«
    »Ich weiß«, antwortete Kevin mit glänzenden Augen. »Wir werden dich nie im Stich lassen.«
    Das machte mir so viel Angst, dass ich mich entschuldigte und schnell weiterzog, Tammy hinterher. Ich musste an Janne vorbei, kletterte fast über ihren Rollstuhl – sie war in ein Gespräch mit dem Bürgermeister vertieft, der zu mir aufschaute und mit gerunzelter Stirn in mein Gesicht blinzelte, als fragte er sich, ob er bereits träumte.
    »Lasst euch nicht stören«, sagte ich, beugte mich zu Janne runter und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Die erwartete Ohrfeige blieb aus, wahrscheinlich war sie zu überrascht. Ich ließ Janne los, richtete mich wieder auf, um den Blick besser auf ihr Gesicht fokussieren zu können.
    »Sie ist das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe«, erklärte ich dem Bürgermeister.
    Er lächelte höflich. Janne nahm meine Hand und drückte sie. Ich war jetzt Halbwaise und sie eine gute Freundin, an dieser Geste war nichts Verbotenes, der Bürgermeister blickte wohlwollend.
    »Glauben Sie, dass ein so schönes Mädchen ein Monster wie mich lieben kann?« fragte ich eine Spur zu laut.
    Er lächelte noch höflicher. Janne ließ meine Hand los und stieß mich mit beiden Armen weg, aber es wirkte nicht erbost, eher vertraut-verspielt. Ich drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, fand mit Mühe wieder in die Senkrechte zurück und ging weiter.
    Ich entdeckte Richard und Friedrich im Garten. Claudia hatte die Fackeln angezündet und einen großen Aschenbecher hingestellt. Ich gesellte mich dazu, nahm eine Zigarette aus Richards Brusttasche und spähte in Friedrichs Gesicht.
    »Wie geht’s dir?« fragte er. Ich las es mehr

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