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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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an seinen Lippen ab, als dass ich es hörte.
    »Sehr gut. Ich muss euch was fragen.« Ich legte den Arm um Friedrichs Schultern und zog ihn näher zu mir. Diese Geste war eigentlich nicht mehr meine; früher, vor über einem Jahr, hatte ich so etwas regelmäßig gemacht, mit Mädchen und Jungs, und es hatte ihnen immer gefallen, wenn ich sie anfasste, meine Berührungen waren kurz und begehrt. Friedrich ließ sich jetzt aber nicht näher heranziehen. Er stand ganz fest auf seinen beiden Beinen, und seine Lippen kräuselten sich. Dann verdrehte er seinen Arm, klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter und befreite sich aus meiner Umarmung.
    »Was habt ihr mit ihm gemacht?« fragte ich Richard und deutete auf Friedrich. »Er ist nicht mehr wiederzuerkennen. Er war eine fette Plaudertasche, und jetzt, nur ein paar Tage später … Friedrich, sind deine Haare etwa grau geworden?«
    Er lächelte. »Das ist nur das Licht. Der Guru hat uns etwas verraten«, sagte er.
    »Erzähl.«
    Er zögerte.
    »Ging es um dich?«
    »Um dich auch.«
    »Oh.« Für einen Moment wurde ich fast wieder nüchtern. Ich wollte plötzlich nach Claudia rufen und sie bitten, mich ins Bett zu bringen. Stattdessen sagte ich möglichst ruhig: »Und? Kannst du es für mich zusammenfassen?«
    »Wir sind nicht die, für die wir uns immer gehalten haben.«
    Ich sah zwischen ihm und Richard hin und her. Sie guckten mir weiter ungerührt entgegen.
    »Und deswegen bist du jetzt anders als vorher«, brachte ich fast mühelos hervor.
    »Das war ich schon immer«, sagte Friedrich. »Ich habe es bloß nicht gewusst.«
    »Und was ist mit mir? Kannst du es mir sagen?«
    Und dann sagte er es mir.
    Ich suchte mit den Händen nach einer Wand hinter mir, die meine plötzlich weich gewordene Wirbelsäule stützen könnte. Leider fand ich keine.
    »Vielen Dank für das Gespräch«, sagte ich und wankte davon.

          Ich irrte ziemlich lange im Garten herum. Es wurde kühler, und die Gäste zogen sich ins Haus zurück, verstopften es bis in den letzten Gang, bis zum letzten freien Stehplatz. Ich konnte sie von außen durch die beschlagenen Fensterscheiben sehen. Die schwarzen Kleider verschmolzen zu einer Masse, die Gesichter verloren langsam ihre Traurigkeit. Hier und da konnte ich vertraute Gesichtszüge herausfiltern. Einmal schreckte ich zurück, als ich glaubte, Lucy wiederzuerkennen. Das Stimmengewirr verdichtete sich zu einer undefinierbaren Wolke, die immer wieder Gewitterblitze von schallendem Gelächter aussendete. Plötzlich hörte ich Gitarrenakkorde, begleitet von anderen Tönen, die ich nicht sofort zuordnen konnte. Ich drückte die Nase gegen die Fensterscheibe und erblickte ein Akkordeon.
    Evgenija saß auf dem Tisch, das Musikinstrument, das ich zuerst für ein Tier gehalten hatte, weinte kläglich auf ihrem Schoß. Ihr linker Fuß hing in der Luft, der hochhackige Schuh glitt herunter. Ein massives Knie in schwarzer Hose, dessen Besitzer ich nicht ausmachen konnte, schob sich stützend unter Evgenijas in der Luft suchende Zehen.
    Sie kann jetzt nicht auch noch anfangen zu singen, dachte ich, aber just in diesem Moment zeigte sie, dass sie sehr wohl konnte. Wer dazu Gitarre spielte, konnte ich nicht sehen. Ich hoffte nur, es war nicht Claudia.
    Ich löste mich von der Scheibe. Wenn mich einer so von außen sah, würde er sofort ergrauen. Ich musste Rücksicht auf die Leute nehmen. In meinem Gesicht waberte ein wahnsinniges Lächeln. Ich entfernte mich tiefer in den Garten, zerschnitt mir den Schuh an einem kaputten Glas im Gras, und dann sah ich, dass neben mir jemand stand.
    »Tammy«, sagte ich. »Du bist mal wieder viel zu leicht angezogen.«
    Bei der Beerdigung hatte sie über ihrem kurzen schwarzen Kleid ein Jackett getragen, obwohl es ziemlich warm war. Jetzt hatte sie das Jackett nicht mehr an, auch keine Schuhe an den Füßen. Vielleicht war es ukrainische Sitte, bei einer Trauerfeier irgendwann barfuß zu laufen.
    Sie machte einen Schritt auf mich zu, und ich suchte ihr Gesicht, erst mit den Fingern, dann mit den Lippen. Ihre Haut schmeckte mal bitter, mal süßlich, dann alles gleichzeitig. Ich löste mich wieder von ihr, weil mein Magen knurrte.
    »Kannst du das nicht mal abwaschen?«
    »Du bist betrunken«, sagte sie.
    »Ich bin nie betrunken«, sagte ich. Ich zog eine zusammengeknüllte Papierserviette aus der Tasche, spuckte drauf und versuchte, damit über Tammys Mund zu fahren. Sie schob meine Hand lachend beiseite.
    Ich hielt

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