Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
Mommy scheinen ihr dabei nicht aus dem Kopf zu gehen.
Ich habe sie auf einem der Betten in dem größeren Gästezimmer abgesetzt. Dieser Raum ist kindgerecht gestaltet – aus gutem Grund.
Als Junge wurde ich selbst immer wieder in fremde, kahle Räume einquartiert, deren Einrichtung sich meist über Wochen und Monate hinzog. Bis heute kann ich mich nur allzu gut an das verlorene Gefühl erinnern, das mich in diesen ersten Nächten stets überkam. Wie die Zimmer, so leer und trostlos, war mir mein Leben dann erschienen.
Und darum gibt es hier, in diesem Raum, den ich eigens für die Kinder meiner Schwester eingerichtet habe, einfach alles, was ein Kinderherz begehrt: große Spielzeugkisten, Bauklötze, eine Puppe, Kuscheltiere und ein langes – natürlich überfülltes – Bücherregal. Eine Leine zieht sich diagonal von der einen Ecke zur anderen. An bunten Holzklammern hängen daran zweifelhafte Kunstwerke meines Neffen und seiner kleinen Freundin. Die Tapeten sind im unteren Drittel in einem warmen Orangeton und darüber in Hellblau gestrichen. Es gibt einen Tisch mit zwei kleinen Stühlen, und in einer Ecke ziert ein großes Gemälde die Wand. Hier ist Maggie tätig geworden. Dank ihrer geschickten Pinselführung haben sich dort Löwe, Zebra und Krokodil an einem Wasserloch unter Palmen eingefunden.
Sarah wirkte recht überrascht, als ich ihr und der Kleinen das Zimmer zeigte. Ohne Zweifel oder weitere Fragen steuerte Josie auf ihr Bett zu und plazierte ihren Teddybären auf dem Kissen. »Hier schläfst du!«, verkündete sie mit dieser Bestimmtheit, die mich immer wieder zum Schmunzeln bringt. Dann ließ sie sich auf einem der Stühle nieder und begann zu malen.
Sarah atmete neben mir tief und erleichtert durch. »Hier werden wir zur Ruhe kommen, Ben. Danke!«, flüsterte sie, wandte sich dann wieder ihrer Tochter zu und beobachtete sie noch eine Weile, bis ihr das andere Bett auffiel. »Ist deine Nichte nicht noch ein Baby? … Kann sie denn schon in einem so großen Bett schlafen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Eva ist erst fünf Monate alt. Sie war noch nie hier, aber wenn Caro das nächste Mal kommt, schläft die Kleine vermutlich bei ihr im großen Bett.«
»Und das hier ist schon für später?«, mutmaßte Sarah.
Ich kratzte mich am Nacken. »Nein. Ehrlich gesagt … also, mein Neffe ist … ein kleiner Romantiker, befürchte ich.«
Sarah legte den Kopf schief. »Hm?«
»Er hat eine Freundin«, stellte ich klar.
»Wie alt ist er denn?«, hakte sie mit weit aufgerissenen Augen nach.
»Sechs«, erwiderte ich und beobachtete amüsiert, wie Sarahs Gesichtsausdruck endgültig entgleiste. »Ich weiß auch nicht, was mit ihm los ist, aber er und die Kleine sind unzertrennlich. Sie lagen schon gemeinsam auf der Krabbeldecke. Meine Schwester und ihr Mann haben es nur einmal gewagt, die beiden für die Dauer ihrer Reise zu trennen.«
»Und?«, fragte Sarah neugierig. Ich zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt, sie haben es nur einmal gewagt. Wir hatten hier vier Tage lang mit einem totunglücklichen Kind zu kämpfen, bis die drei vorzeitig abreisten.«
»Oh Gott, wie süß!«, befand Sarah.
»Wenn du es sagst. Ich fand es eher nervig! Alberta kann ihm seine Hartnäckigkeit allerdings danken, denn das ist tatsächlich der Grund für dieses zweite große Bett.«
Sarah schmunzelte und zog im Rausgehen die Tür hinter sich zu.
»Die Romantik scheint in der Familie zu liegen«, sagte sie und ließ ihre Fingerspitzen dabei für einen kurzen Moment über meinen Oberkörper gleiten.
Sie schafft es immer wieder – mit nur einer kleinen Geste oder wenigen Worte, von denen ich nie mit Bestimmtheit sagen kann, wie bewusst sie gewählt sind –, mich aus der Fassung zu bringen.
Josie blieb bis zum Abendessen im Zimmer und malte. Sie schien abgelenkt zu sein, wirkte fröhlich wie immer, doch nun sitzt sie nachdenklich und still vor mir.
»Mommys Augen waren ganz rot«, sagt sie mit Nachdruck. Sie wird das Thema nicht fallenlassen, das steht fest. Also lasse ich mich neben ihr auf der Bettkante nieder. »Weißt du, Josie, deine Mommy hat sich heute ziemlich geärgert. Kennst du das, wenn du dich mit einem Freund oder einer Freundin streitest? Dann bist du doch sicher auch traurig, nicht wahr?«
Josie sieht mit großen Augen zu mir empor. »Ja! Einmal, da habe ich mich ganz dolle mit Allie gestritten, weil sie immer nur die Prinzessin sein wollte. Sie hat gesagt, ich bin dumm und darf nie wieder
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