Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
eine gewisse, unverkennbare Sehnsucht widerspiegelt.
»Schließ die Augen!«, befehle ich im Moment meiner Erkenntnis. Sanft pudere ich über Sarahs gemarterte Lider und setze mit Kajalstift, Lidschatten und Wimperntusche gezielte Akzente. »Und wieder auf!« Noch während ich kritisch das Ergebnis begutachte, wandert Sarahs Blick wieder ab, doch er geht ins Leere. Ben sitzt nicht mehr an seinem Platz; er hat sich beinahe lautlos erhoben und den Raum verlassen.
Mit einem zufriedenen Nicken, das nicht unbeabsichtigt besonders heftig ausfällt, ziehe ich Sarahs Aufmerksamkeit zurück auf mich und reiche ihr einen Spiegel.
Ihr skeptischer Blick erhellt sich, als sie ihr Gesicht betrachtet.
»Wow, vielen Dank«, sagt sie bewundernd. »Falls dich irgendwann mal jemand fragen sollte, womit du dein Geld verdienst – verbinde ihn mit mir, ich kann es ihm erklären.«
Ich gehe nicht auf ihr Kompliment ein, denn gerade in diesem Moment kommt mir eine Idee. Mit dem Stil des großen Kosmetikpinsels klopfe ich gegen meinen Mund. Drehe und wälze den Gedanken noch ein wenig hin und her, prüfe ihn auf undichte Stellen und spreche ihn erst aus, als er meiner Grübelei standhält. Hm, ich verbringe eindeutig zu viel Zeit mit Ben!
»Sag mal, Sarah, heute Abend findet doch im
›Bizz‹
diese Benefiz-Modenschau statt, nicht wahr?«
Sie nickt. »Ja, da wollte ich ursprünglich auch hin. Aber jetzt …« Ein Schulterzucken – keineswegs lässig, eher wehmütig.
Eine Welle der Euphorie überkommt mich und schwappt über mir zusammen. Ich richte mich auf.
»Siehst du, genau das meine ich. Ich nämlich auch. Und wenn du ein Paparazzo wärst, wo würdest du dich dann heute Abend aufhalten?«
Ihre Augen verengen sich ein wenig. Sie scheint noch nicht zu verstehen. »Ja, vermutlich dort, vor dem
›Bizz‹
«, antwortet sie zögerlich.
»Richtig! Was ja auch kein Wunder ist, denn alles, was Rang und Namen hat oder gerne hätte, wird an diesem Abend dort erscheinen.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragt Sarah.
»Na, wenn die Blutsauger alle vor dem
›Bizz‹
abhängen, hat keiner von ihnen Zeit, dein Haus zu belagern. Heute Abend tut sich also ein Zeitfenster auf, das wir nutzen sollten.«
»Nutzen sollten?«, wiederholt Sarah, wie eine Schwerhörige.
»Ja! … Wie wäre es, wenn wir jetzt gleich zurück zu dir fahren und den Paparazzi ihre Bilder und ein paar Worte schenken. Gerade genug, um ihren ersten Hunger zu stillen. Wir retten sozusagen die nächsten Schlagzeilen. Und heute Abend, genau zu der Zeit, wenn die ersten Stars vor dem
›Bizz‹
über den Roten Teppich stolzieren, fahren wir Josie und dich in ein schönes Hotel. Dann könnt ihr ein paar Tage in Ruhe ausspannen, und die Aasgeier haben keine Ahnung, wo ihr steckt.«
Ich beende die Ausführung meiner Idee mit einem triumphierenden Grinsen, aber Sarah schüttelt nur den Kopf. »Der Gedanke, nicht zu Hause zu sein, wenn Daniel in den nächsten Tagen dort aufkreuzt, gefällt mir, keine Frage«, sagt sie, als mein Gesicht in Enttäuschung entgleist. »Es ist nur leider so, ich kann nicht in ein Hotel gehen, denn spätestens dann sind die Fotografen sofort wieder da. Wir könnten keinen Fuß vor die Tür setzen. Abgesehen von dem ein oder anderen Pagen, der sein Gehalt durch ausgeplaudertes Insiderwissen aufstocken will. Abtauchen in Hotels geht nie lange gut. Besonders nicht mit Josie, die ihre Freiheit wie die Luft zum Atmen braucht. Zu Hause hat sie zumindest den großen Garten …«
»Du wirst sie aber nicht rauslassen können, weil euer Haus umlagert sein wird«, werfe ich ein und entlocke Sarah damit ein Schnauben.
Ja, es ist zum Verrückt werden, ich gebe dir recht!
Doch dann, plötzlich, hellt sich ihre Miene auf. »Ich frage Ben!«, beschließt sie. »Bestimmt können wir für ein paar Tage bei ihm bleiben. Ben hat schließlich auch einen großen Garten. Hier kann Josie in Ruhe mit Jack spielen. Vielleicht kann sogar Alberta mitkommen.« Nun wirkt
sie
euphorisch.
Und meine Euphorie wird bei ihren Worten durch eine kalte Dusche Skepsis gelöscht.
»Er hat doch gesagt, dass er noch zwei Gästezimmer hat, oder?«, fragt Sarah.
Ich nicke zwar, bin von der Idee aber alles andere als begeistert. Ich weiß, was Ben für Sarah empfindet und wie sehr er sich tagtäglich am Riemen reißt, um ihr seine Gefühle nicht zu offenbaren.
Ich will mir gar nicht ausmalen, wie quälend es da erst für ihn sein muss, Sarah rund um die Uhr um sich zu haben. In meinem
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