Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
und du hättest mich jetzt tragen müssen«, stöhnte der Hauptmann und schüttelte sich kräftig. »Zum Wetttrinken würde ich gegen die im Leben nicht antreten.«
Lucio warf seinem Kommandanten einen fragenden Blick zu. »Ich wüsste zu gern, wie du das angestellt hast. Der war doch mit Sicherheit stärker als du.«
»Na ja, auf dem Tisch natürlich schon, aber unterm Tisch war mein Schwert seinen Eiern doch ziemlich überlegen. Er hatte die Wahl und hat offensichtlich lieber auf dem Tisch verloren.«
Nach einem verblüfften Blick des Adjutanten brachen beide in Gelächter aus.
»Du bist doch wirklich ...«, würgte Lucio prustend hervor, wurde aber von Derea unterbrochen.
»Wirf mir hier ja nichts vor! Ich hatte ihn nach Regeln gefragt. Es gab keine.«
Sein Freund schüttelte belustigt den Kopf. »Du bist und bleibst ein verdammtes Schlitzohr. Hoffen wir, dass du auch im Angesicht von viertausend Hordenreitern so einfallsreich bist.«
»Das wird eng, Lucio«, erwiderte er wieder völlig ernst. »Das wird verdammt eng!«
Zur selben Zeit in Latohor
Fürst Darius stand am Fenster seines Arbeitszimmers, krallte seine Finger um den Sims und starrte in den sternenlosen Nachthimmel. Seine Tochter war tot. Gerade hatte er die Nachricht erhalten. Der Weise war in Camoras Händen, und Marga war tot, und er hatte ihr nie gesagt, wie sehr er sie liebte. Jetzt würde er keine Gelegenheit mehr dazu haben. Tränen traten ihm in die Augen. Er war so furchtbar enttäuscht gewesen, als seine Gattin ihm nach mehreren Fehlgeburten nur eine Tochter geschenkt hatte. Dass weder Frau noch der ersehnte Sohn den Tag der nächsten Niederkunft überlebt hatte, hatte ihn noch mehr verbittert. Marga musste das schon als Kind gespürt haben, denn stets hatte sie versucht, ihm den Sohn zu ersetzen. Für ihn war sie sogar Kriegerin geworden, und er hatte ihr nicht ein einziges Mal gesagt, wie stolz er auf sie gewesen war. In solchen Dingen hatte ihm immer die Leichtigkeit gefehlt, die Morwena und ihre Ziehsöhne auszeichnete. Oft hatte er gefühlt, dass Marga auf ein Zeichen seiner Zuneigung wartete, aber er hatte immer so lange überlegt, was er wie am besten sagen sollte, bis der Augenblick vorüber gewesen war. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Was hatte Morwena gesagt? »Ich will, dass meine Söhne leben, ich will sie nicht beweinen müssen.« Er hätte Camora sein Reich mit Freuden geschenkt, wenn er dafür Marga hätte zurückbekommen können.
Morwena hatte in so vielen Dingen recht gehabt. Er hatte immer geglaubt, dass Stärke zeigen damit einhergehen musste, kein Gefühl zu zeigen, aber das war Unsinn!
Der Abschied Morwenas von ihren Söhnen erschien vor seinem geistigen Auge. Liebevoll hatte sie ihre Ziehsöhne immer wieder an sich gezogen und ihnen gesagt, wie sehr sie sie liebte. Obwohl Heere zugegen gewesen waren, hatten Canon und Derea genauso herzlich die Umarmung erwidert und ihre Liebe beteuert. Jetzt waren sie Heerführer auf unterschiedlichen Kriegsschauplätzen, und niemand würde ihnen je mangelnde Stärke vorwerfen. Alle drei wussten aber auch, dass sie geliebt wurden. Marga war ohne dieses Wissen gestorben. Er wollte die Welt retten und hatte nicht einmal seine Tochter retten können. Er hatte schon kein guter Vater sein können, wie wollte er da ein guter Reichsfürst sein? Wütend schlug er ein paar Mal mit der Faust gegen die Wand. Er hatte Marga verloren, und er hatte die Hoffnung verloren. Der Weise war verloren, die Nebelprinzessin ebenso. Die Prophezeiung konnte nicht mehr erfüllt werden. Die schwarzen Schatten wurden länger, und es gab niemanden mehr, der sie aufhalten konnte. Meister Fergus’ Reise in den Norden war längst sinnlos geworden, ... und Marga kam nicht mehr zurück, Marga kam nie wieder zurück! Und das erste Mal in seinem Leben ließ Darius seinen Tränen freien Lauf, aber es war längst zu spät für Tränen. Es war ihm nur zu deutlich bewusst: Was auch immer er jetzt noch tat, es war für alles längst zu spät, viel zu spät.
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13. Kapitel
Nebelkönigin Ayala stand inmitten ihrer Blütenpracht und knetete voller Zorn die Hände. Eigentlich hätte sie gern jemanden erwürgt oder mit einem Blitz zur Strecke gebracht, aber es war leider gerade keine entbehrliche Person zugegen. Martha und Hylia, ihre Gesprächspartnerinnen, waren zu wertvoll, um ihrer Wut geopfert zu werden.
»Den Nächsten, der mir eine schlechte Nachricht bringt, opfere ich der Göttin«,
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