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Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis

Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis

Titel: Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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schon gar nicht mehr an morgen denken.«
    »Das solltest du auch nicht, Kind! Denke nur an den Augenblick! Der ist meist schlimm genug, aber dem sollte deine Aufmerksamkeit gehören.«
     
    Rhonan zog sich über den Rand, ließ sich fallen und blieb erst einmal auf dem Rücken liegen. Das letzte Stück hätte er fast nicht mehr geschafft. Tagträume, in denen schattenhafte Wesen ihn in dunkle Abgründe zerrten, überfielen ihn immer wieder, seit er keinen Branntwein mehr zu sich nahm. Kurz, wie sie waren, hatten sie ihn bisher nicht sonderlich beeinträchtigt. Aber machtlos der Wirklichkeit zu entgleiten, während man sich gerade an einen Felsvorsprung klammerte, war alles andere als lustig.
    Doch während er so dalag und in den grauen Himmel starrte, wünschte er sich fast ein neues Entgleiten, denn nicht nur sein Geist spielte verrückt. Er hatte ein Gefühl, als zögen sich seine Eingeweide in kurzen Abständen immer wieder zusammen, und sein Kopf drohte zu zerspringen. Aber zumindest lenkte der Schmerz im Kopf von dem im Bein ab. Als er träumend abgerutscht war, hatte er erwachend verdammt ungeschickt wieder Halt gefunden. Zumindest jedoch war er erwacht und hatte Halt gefunden. Was war, wenn dieses Glück ihn verließ?  
    Er hörte seine Begleiter erneut rufen und atmete ein paar Mal tief durch, bevor er sich aufsetzte und das Seil von der Schulter nahm. Bei der Bewegung verzog er schmerzlich das Gesicht. Die Wunde hatte sich wieder geöffnet – und der Tag war gerade mal zur Hälfte vorbei! Verdrossen sah er sich um. Kein Fels, kein Baum ... nichts, nur endloser Schnee! Es gab keine Möglichkeit, das Seil zu sichern. Er stieß sinnlos aneinandergereihte Schimpfworte aus, während er mit Dolchen im schneebedeckten Eis herumhackte, um zumindest seine Füße gegen irgendetwas stemmen zu können, dankte den Göttern dafür, dass weder Gideon noch Caitlin ein Schwergewicht war, und warf ein Seilende über den Rand.
    Das Gepäck war schnell oben. Er wunderte sich tatsächlich, dass es seinen Begleitern gelungen war, es so festzubinden, dass es nicht auf halber Strecke heruntergefallen war.
    Erneut warf er das Seil. Dabei war er sich ziemlich sicher, Caitlin ebenfalls hochziehen zu müssen. Hochherzig würde sie ein paar Handspann klettern und dann schrill ausrufen: »Ich kann nicht mehr! Ich kann wirklich nicht mehr!«
    Er hatte es noch nicht einmal zu Ende gedacht, schon hörte er Caitlin zetern und schimpfen, dann keuchen und flehen. Sorgsam achtete er darauf, dass das Seil immer gestrafft blieb. Ihr »Oh!« und »Autsch!« hallte laut durch die Winterlandschaft, und er fühlte sich versucht, auch einmal zu schreien, zum Beispiel: »Hallo, Wolfsjäger, hier sind wir!«
    Ein schmerzhafter Ruck ging durch seine Arme und Schultern und ließ ihn aufstöhnen. Seine Beine versteiften sich. Von unten hörte er seine Begleiter schreien. Langsam, Hand über Hand, zog er sie hoch. Am Seil war sie doch bedeutend schwerer, als er gedacht hatte, und er keuchte vor Anstrengung, als er sie endlich über den Rand zog.
    Sie krabbelte ungelenk in Sicherheit, und er rieb sich die Augen. »Du wolltest in deinem Mantel und mit Handschuhen klettern?«
    »Gideon hat gesagt, ich soll nicht, aber mir war so kalt, und ich wollte mir nicht weh tun, wenn ich mal abrutsche! Oh Rhonan, schimpf nicht auch noch mit mir! Das war wirklich gefährlich und ganz, ganz fürchterlich, und ich zittere noch.«
    »Oje!«, murmelte der und ließ erneut das Seil hinunter.
    Gideon schaffte es fast allein. Er sah schon über den Rand, als er sich zu früh in Sicherheit wiegte und glaubte, der knackende Stein würde noch halten. Rhonan erwischte gerade noch seine Hand und zog ihn aufs Plateau. Beide Männer brachten es noch fertig, sich zuzublinzeln, bevor sie sich ermattet fallen ließen.
    Gideon setzte sich allerdings schnell wieder auf. Der Wind pfiff, fegte Schneestaub über die Ebene, und ihm wurde kalt. Schwer atmend stolperte er zum Gepäck und zerrte sich den Mantel über. Die körperliche Anstrengung ließ ihn die Wärme des Fells doppelt spüren. Seine Glieder hörten schnell auf zu zittern, und er griff Rhonans Mantel, ging zu seinem Begleiter und hielt inne. »Hier ist Blut! Rhonan, bist du verletzt?«
    »Nein. Das war nur die alte Schulterwunde«, murmelte der und setzte sich auf.
    Gideon hatte sich schon auf die Knie fallen lassen. »Caitlin, bring mir den Medizinbeutel!«
    Rhonan winkte ab. »Das ist nicht nötig. Es hat schon wieder

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