Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
jenseits der Felsen wurden leiser und erstarben schließlich völlig.
Der Verianer wurde ruhiger, begriff allmählich, dass sie tatsächlich überlebt hatten. Ausgerechnet sie als Gejagte hatten überlebt. Fassungslos schüttelte er den Kopf.
»Bevor es dunkel wird, sollten wir nachsehen, ob sie Fleisch für uns übrig gelassen haben. Wolfsfleisch ist schmackhaft«, erklärte Rhonan in die Stille hinein.
Gideon starrte ihn ungläubig an, kroch auf allen vieren zum Rand des Plateaus und würgte.
»Stell dich nicht so an!«, rügte der Prinz kopfschüttelnd. »Eine Regel der Wildnis ist, zu nehmen, was man kriegen kann.« Bei seinen Worten löste er schon sanft die Umklammerung der Prinzessin, zeigte auf ein paar kahle Weidensträucher, die im Schutz der Felsen standen, und forderte: »Macht ein Feuer! Ich gehe meine Waffen holen.«
Caitlin, die sich nur unwillig von ihm löste, riss den Kopf hoch. »Du willst da raus?«
»Tote Wölfe und Jäger werden mir kaum etwas tun, und die Sieger sind satt und schon fort.«
»Du kannst deine Waffen morgen holen! Es wird sie hier doch keiner stehlen«, beharrte sie.
»Er will einen Braten holen«, erklärte Gideon heiser.
»Was?«, kreischte die junge Frau und setzte sich ganz auf. »Das ist nicht wahr!? Du willst doch nicht in den Resten dieses Gemetzels wühlen? Das kannst du dir sparen! Gideon und ich werden ohnehin nichts davon anrühren.«
»Was wollt ihr denn?«, knurrte Rhonan verdrießlich. »Da unten ist vermutlich Fleisch im Überfluss, und wir sind kaum in der Lage, wählerisch zu sein. Hier gibt es leider keine Hasen. Macht Feuer und seht mich nicht an, als wäre ich ein Ungeheuer! Ich versuche nur, uns am Leben zu halten, und verlange ja gar nicht, dass einer von euch geht, aber macht es mir doch nicht immer so verdammt schwer!« Mühsam rappelte er sich bei diesen Worten hoch.
»Ich brauch kein Fleisch«, rief Caitlin gehetzt und klammerte sich an seinen Arm. »Was ist mit deinem Bein?«
»Das werde ich kaum noch lange benötigen, wenn wir hier verhungern. Und du brauchst Fleisch. Bei diesen Witterungsbedingungen bringt dich Haferbrei nämlich nicht weiter«, erwiderte Rhonan trocken, löste ihre Finger, steckte den Dolch in den Gürtel und machte sich an den Abstieg. Seine Begleiter sahen ihm mit entsetzten Mienen hinterher, wie er in Richtung Schlachtfeld hinkte.
Rhonan machte sich die Mühe, die Überreste des Wolfsjägers im Schnee zu verscharren. Es war kein Anblick, der seinen Begleitern das Abendessen erleichtern würde. Hinter sich hörte er Caitlins Würgen und nickte. Es war wie immer: Er gab sich Mühe und erntete Ablehnung. Er war der Barbar, der den Weg für die vornehmen Leute räumte, die ihn dann gingen und angewidert die Köpfe schüttelten über die Art, wie er gangbar gemacht worden war.
Auf dem Hang zog sich ihm allerdings auch der Magen zusammen, denn ihn erwartete ein Gemisch aus Schnee, Blut und Knochen. Weit verteilt lagen Körper oder Körperteile von Menschen, schwarzen und weißen Wölfen oder abgenagte Knochen, die er so richtig keinem mehr zuordnen konnte. Trotz der Kälte lag noch der süßliche Geruch von Blut über dem Schlachtfeld.
Sein erster Weg galt seinem Schwert, der zweite seinem verlorenen Dolch und seinem Bogen. Auch Caitlins Waffen sammelte er ein. Unwillkürlich glitt dabei ein Lächeln über sein Gesicht. Schließlich hatte er nie ernsthaft damit gerechnet, dass die Priesterin sie einmal benützen würde. Dann wandte er sich den Rucksäcken der Jäger zu, löste sie von den toten Körpern und durchstöberte sie nach Brauchbarem. Er drehte einen Jäger um, und dessen Eingeweide fielen aus dem aufgerissenen Leib vor ihm in den Schnee und verströmten einen widerwärtigen Gestank. Rhonans Magen hob sich sofort. Er schloss kurz die Augen und war froh, dass seine Begleiter nicht sehen konnten, wie er die Vorräte der Toten durchwühlte. Aber Trockenfleisch, Bohnen, Trockenobst, Brot und Nüsse waren wertvoll. In einem Rucksack fand er auch zwei Lederbeutel mit Wein. Er schluckte schwer, widerstand aber der Versuchung, sich zu bedienen, und verstaute alles in einem noch guterhaltenen Rucksack. Dann stockte er den Vorrat seiner Pfeile auf.
Er hörte ein gurgelndes Geräusch. Aufmerksam ließ er seinen Blick umherschweifen. Der Körper eines weißen Wolfs hob und senkte sich. Rhonan näherte sich ihm mit gezücktem Schwert. Der Kopf des Tieres war entsetzlich zugerichtet, ein Hinterlauf fehlte. Ein Hieb beendete
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