Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
es wäre mir eine Ehre, seinem Stamm beitreten zu dürfen. Sollte er mich Bruder nennen, würde mich das mit Stolz erfüllen.«
Gideon nickte beifällig, aber die Prinzessin riss die Augen auf, zerrte wild an seinem Arm und keifte: »Rhonan, ich glaub es nicht! Was erzählst du da?«
»Still, Caitlin!«
»Ich soll still sein? Pah! Er hat schlecht und gemein gekämpft! Er ist ein Feigling, er ist ein Widerling! Sag ihm die Meinung! Wenn du es nicht tust, tu ich es.«
»Sei endlich still, Prinzessin, und hör auf, mich zu schütteln! Ich will mich nicht durch die Krieger kämpfen müssen, nur weil ich deren Häuptling grundlos beleidige.« Er machte eine kleine Pause und fügte dann hinzu: »Zurzeit könnte ich das auch nicht.«
Dem Stamm hatte die Erwiderung des Prinzen offensichtlich gefallen, denn ein beifälliger Singsang war zu hören und allgemeines Nicken zu sehen.
Caitlin hingegen war nicht zufrieden. »Grundlos?«, keuchte sie. »Diese haarige Bestie wollte dich töten!«
»Ich sie auch! Wir haben uns also nichts nachzutragen!«, erwiderte der Prinz trocken.
Sie fragte sich, ob das jetzt ein Beispiel für die oft so seltsame männliche Denkweise war, und runzelte die Stirn.
Gideon übersetzte derweil: »Du sollst durch die Reihen gehen. Jeder will dich willkommen heißen. Der Häuptling wird dir dann das Stammeszeichen der Jäger geben.«
Rhonan sah kurz auf ein Eisen im Feuer und murmelte: »Das hat mir gerade noch gefehlt. Können die keine Steine verteilen oder Losungen? Ich bin es wirklich langsam leid.«
Gideons Augen folgten seinem Blick. Entsetzt stieß er aus: »Oh nein! Du meinst doch nicht ...?«
»Doch, genau das!« Er schaute auf seine nach wie vor mürrische Begleiterin hinunter. »Lass mich jetzt los! Oder möchtest du mit mir kommen und die neuen Stammesbrüder auch näher kennenlernen?«
»Das ist ja eklig!«, schimpfte sie, ließ ihn aber los.
Die Horkas bildeten bereits eine Gasse, und der Prinz wurde von allen freundlich umarmt. Nach erster Verwirrung fand er heraus, dass alle nach der Umarmung ihr linkes Handgelenk gegen seins drückten: die formelle Begrüßung der Jäger! Ihre Handgelenke zierte jeweils ein Dreieck mit einem Kreis auf der Spitze – schlichtes Symbol für die Sonne über einem Berg.
Caitlin schüttelte sich angewidert. »Ist das nicht entsetzlich, Gideon?«
Der Verianer schaute immer noch wie gebannt auf das rotglühende Eisen im Feuer, spürte eine Gänsehaut am ganzen Körper und nickte heftig. »Barbarisch! Mir wird gleich schlecht. Hoffentlich übersteht er das einigermaßen!«
»Bevor ich heute schlafen kann, muss er sich jedenfalls gründlich waschen«, erklärte sie unumwunden.
»Was?«
»Sieh dir das nur an! Igitt, einige küssen ihn sogar! Das ist so ekelhaft. Er wird ganz besabbert sein und stinken. Du hast völlig recht: Hoffentlich übersteht er das!«
Gideon starrte sie nur entgeistert an.
Rhonan fand die herzliche Aufnahme auch reichlich übertrieben, bemühte sich aber, ein freundliches Gesicht zu machen. Irgendwann spürte er neben Schmerzen Feuchtigkeit an seiner verletzten Schulter, und das Lächeln fror ihm ein, während er immer weitergereicht wurde. Doch endlich stand er vor dem Häuptling, und Gideon übersetzte dessen Frage. »Bist du jetzt bereit, einer der ihren zu werden?«
»Eigentlich nicht! Sag einfach ja!«
Ein Horka kam mit einem Stück Eis, um das er ein Tuch wickelte, und stellte sich einfältig, aber freundlich lächelnd neben den Prinzen.
Halbherzig lächelte der zurück. Er spürte, wie seine Handflächen feucht wurden und sein Herz hämmerte. Dass er aus Erfahrung wusste, was auf ihn zukam, machte es nicht leichter. Aber immerhin hatte noch nie zuvor Eis zur Verfügung gestanden. Er versuchte, sich einzureden, dass das die Sache um einiges erträglicher machen würde, und wünschte sich gleichzeitig weit weg.
Der Anführer ging zum Feuer und holte das Eisen.
»Was will der damit?«, krächzte Caitlin augenblicklich mit weit aufgerissenen Augen. »Gideon, was geschieht da?«
Der Verianer legte ihr freundschaftlich den Arm um die Schultern, zog sie an sich und empfahl mit brüchiger Stimme: »Schließ besser die Augen, Caitlin!«
Rhonan hatte den linken Ärmel bereits hochgeschoben und die Hand zur Faust geballt. Er hörte die Prinzessin kreischen. Dann verstummte sie urplötzlich. Entweder hielt Gideon ihr den Mund zu, oder sie war in Ohnmacht gefallen. Aber das war ihm gleichgültig, denn der Häuptling
Weitere Kostenlose Bücher