Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
kalte Holzboden und der Sturm, der durch viele Ritzen drang. Sogar Schnee rieselte durch Löcher im Dach, verlor sich aber auf dem Weg nach unten im Qualm.
Meister Fergus wünschte sich sehnlichst wieder nach Latohor, aber der Gedanke daran, vielleicht dem verschollenen Siegelerben auf die Spur zu kommen, verursachte ihm ein Kribbeln.
Die Tür knarrte, und in einem Schneeschwall stolperte ein Junge in die Schenke, sah sich um und kam schnurstracks auf ihn zu. »Meister Furges?«
»Fergus!«
»’tschuldigung! Komm von Milla. Will nicht mit Euch gesehen werden. Wolfsjäger treiben sich rum. Soll Euch in ihre Hütte bringen, ... wenn Ihr noch wollt. Ihre Zeit kost’ aber was, sagt sie.«
Der Meister nickte. Dass Talermädchen keine Zeit zu verschenken hatten, war ihm klar. »Zeig mir den Weg, Junge!«
Wegeleuchten gab es nicht an diesem Ort, an dem sogar die Tage dämmrig waren, und Fergus hätte schwören können, dass die Nächte im Norden dunkler waren als anderswo. Vielleicht lag es daran, dass ständig dunkle Wolken Sonne, Mond oder Sterne verdeckten. Düster und kalt, wie es hier war, und düster und kalt, wie die Gesichter der Menschen wirkten, hatte sich ihm mehrfach die Frage aufgedrängt, ob die Götter sich aus dem Norden zurückgezogen hatten. Doch über diese Frage würde er später nachdenken, jetzt fror er viel zu sehr, um an etwas anderes außer Kälte zu denken.
Knöcheltief versank er im Matsch, und sein Umhang hielt die schneidende Kälte nicht ab. Voller Mitgefühl folgte er dem Jungen, dessen zerlumpte Beinkleider nicht einmal die Waden bedeckten, und wühlte in seinem Wandersack, um die Börse zu finden. Dem Kleinen musste doch geholfen werden!
Doch diese gute Tat blieb ihm verwehrt. »Die Letzte da!«, krähte schon sein Führer, wedelte mit der Hand und verschwand zwischen zwei Hütten.
Der Seher nahm sich vor, Milla den Lohn für den Jungen zu geben, stapfte an ärmlichen Hütten vorbei und klopfte schließlich an eine Tür aus zusammengebundenen Brettern. Er hörte ein Schaben, Schritte, und die Tür ging auf.
Trotz der auffordernden Geste seiner Gastgeberin blieb er wie angewachsen stehen und vergaß sogar, zu frieren.
Eine atemberaubend schöne Frau stand vor ihm, das schwarze Haar zu dicken Zöpfen geflochten. Die kristallblauen Augen erinnerten ihn an einen klaren Gebirgsbach und bildeten einen ungewöhnlichen Kontrast zum dunklen Haar. Die weiße Haut war makellos und ihr Mund, volllippig, dunkelrot und leicht geöffnet, unglaublich verführerisch. Ihr schlichtes blaues Kleid betonte ihre weibliche Figur. Die Taille war schmal, aber ihre Brüste schienen das Mieder sprengen zu wollen und lugten prall daraus hervor.
»Meister Fergus?« Die unerwartet dunkle Stimme klang belustigt. »Möchtet Ihr nicht hereinkommen? Mir wird kalt, und wir könnten uns drinnen sogar setzen.«
Der Seher errötete tief, murmelte – immer noch verzaubert – eine Begrüßung und trat ein. Die Einrichtung war ärmlich, aber sauber: eine Herdstelle, in der ein Feuer prasselte, ein Tisch mit drei Stühlen, eine Kleidertruhe und ein Vorhang, der einen Teil des Raums abtrennte. Meister Fergus vermutete dort das Bett. Talgkerzen verbreiteten genauso viel Gestank wie Licht, und das Leder im Fenster flatterte.
»Ihr wolltet etwas über einen bestimmten Freund wissen?«, eröffnete sie das Gespräch, während sie sich setzte und ihm durch eine Handbewegung einen Stuhl anbot. »Warum?«
Er stellte seinen Wandersack auf den Boden, nahm den Umhang ab und ließ sich nieder. »Werte Dame, das werde ich Euch gern erzählen, wenn ich sicher bin, dass Euer Freund und mein Freund derselbe sind. Verratet Ihr mir den Namen des jungen Mannes und was Ihr über ihn wisst?«
»Rhonan«, erwiderte sie prompt. »Er ist groß, schlank, blond und hat dunkelgrüne Augen.«
Meister Fergus, der sich zeitlebens ganz seinen seherischen Fähigkeiten verschrieben hatte, konnte kaum den Blick von ihrem Ausschnitt lösen. Wenn viele Talermädchen so aussahen, hatte er eine Menge verpasst. Hitze durchflutete ihn, er spürte eine ungewohnte Verhärtung, und es kostete ihn Mühe, sich auf das Gespräch zu konzentrieren.
Der Name sagte wenig aus, denn weit verbreitet war die Sitte, Nachkommen nach den Kindern des Großkönigs zu benennen.
»Das weiß ich schon«, erwiderte er. »Ihr wart mit ihm befreundet. Ihr müsst doch mehr über ihn wissen!«
Ihr Blick verlor sich in der Ferne, ihre Stimme wurde noch dunkler. »Oh ja! Er ist
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