Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
oder auch nur von unseren Nachfahren!«
Er hatte die letzten Sätze in so bitterem Ton gesagt, dass Marga ihn prüfend ansah. Sie war sich sicher, dass den alten Krieger Erinnerungen plagten. »Möchtet Ihr mir vielleicht erzählen, was Euch quält?«, fragte sie zaghaft. »Einfach, um es loszuwerden. Wie Ihr wisst, kann auch ich nicht auf alle meine Taten stolz sein.«
Raoul lachte kurz auf. »Mädel, was für Gedanken! Ich war unter Camora General vieler Schlachten! Ich bräuchte mehr Zeit, als mir noch zur Verfügung steht, um dir all meine Greueltaten zu erzählen. Aber weißt du, sie sind Vergangenheit und rauben mir nicht den Schlaf. Ist aber nett, dass du gefragt hast. Bist ein liebes Mädel!«
Sie lächelte unwillkürlich, hatte sich längst daran gewöhnt, nur Mädel genannt zu werden. Ihre Zeit als Hauptmann schien ewig lange zurückzuliegen. Lori legte den Kopf auf ihren Schoß, und Marga kraulte die Wölfin liebevoll hinter den Ohren. »Wie wollt Ihr nach Ten’Shur reisen?«, fragte sie.
»Mit dem Wagen. Ich käme schnell genug voran und könnte dich mitnehmen. Ist aber ein langer Weg. Was sagst du, Mädel?«
»Zu Befehl, General! Wann reisen wir?«
Er drehte sich zu ihr um und lächelte sie warmherzig an. »Morgen bei Sonnenaufgang! Mädel, wenn ich eine Tochter hätte, müsste sie so sein wie du!«
In den Mooren des Westgebirges
General der Horden Mattalan hatte seinen Helm abgenommen, denn es war unerträglich heiß und schwül. Die Luft flirrte, und modriger Gestank schien sich bis in den Magen vorgekämpft zu haben, denn überall wurde über Übelkeit geklagt.
Seit zwei Tagen waren sie jetzt im Moor unterwegs, hatten kein Gelände für ein Lager gefunden und waren notgedrungen die Nacht durch weitergegangen. Jetzt stand die Sonne wieder tief, und sie kamen immer langsamer voran. Die Katapulte hatten sie in der Nacht zurücklassen müssen, weil der Weg zu schmal geworden war. Selbst die Trosswagen mussten immer wieder aus tiefem Morast gezogen werden.
Wohin man sah: klebriger, brauner Sumpf und vereinzelt Schilf. Die Krieger waren bis zum Umfallen erschöpft. Wasser musste streng rationiert werden, Fleisch war Opfer der Maden geworden, und selbst das steinharte Fladenbrot war verschimmelt. Gegen die Insekten hatten sie Tücher um ihre Gesichter gebunden, die schon nach dem Verknoten schweißnass waren. Die Kleidung klebte am Körper, und das Gepäck wurde mit jedem Schritt schwerer.
Alle waren lange Märsche gewöhnt, aber Luftfeuchtigkeit und mörderische Hitze forderten ihren Tribut. Auf den Trosswagen lagen schon die ersten Krieger.
Ein Kundschafter kehrte zurück und erstattete dem General Bericht. »Der Weg führt weiter in den Süden, aber wir haben zumindest eine trockene Ebene für einen Lagerplatz gefunden. Nach der uns vorliegenden Beschreibung hätten wir längst auf dem Weg in den Osten sein müssen. Wir hätten die Ausläufer der Berge schon wieder vor uns haben müssen! Irgendetwas stimmt nicht, General. Zumindest die Karte ist falsch.«
Der General erschlug ein Insekt in seinem Gesicht. Jedes unbedeckte Fleckchen Haut war zerstochen und juckte und brannte. »Wir suchen den Lagerplatz auf und sehen dann weiter. Wir werden Pferde braten, und Gebrautes und Branntwein werden freigegeben. Gib das weiter! Diese Aussicht allein könnte mittlerweile Leben retten!«
Es hatte noch nie so lange gedauert, das Lager aufzubauen. Die Männer waren müde und zermürbt. Nur unwillig bezogen die eingeteilten Wachen Posten, denn welcher Feind sollte schon aus den Mooren kriechen?
Die untergehende Sonne wurde von allen mit erleichtertem Seufzen begrüßt. Endlich wurde es etwas erträglicher. Zwei weitere Kundschafter fanden sich ein und brachten endlich gute Neuigkeiten. Sie hatten den Weg gefunden, der nach Osten führte. Das Ende ihrer Leidenszeit war absehbar.
General Mattalan wunderte sich, dass sie bisher keine Anzeichen dafür gesehen hatten, dass die Königstreuen sie verfolgten. Das konnte nur bedeuten, dass sie sie irgendwo erwarten würden. Bis dahin mussten seine Männer wieder bei Kräften sein. Fleisch, Gebrautes, Nachtkühle und Schlaf würden sie hoffentlich ausreichend erfrischen, und morgen würden sie das verfluchte Moor hinter sich lassen können. Zuversichtlicher als gerade noch gönnte er sich auch einen Becher Gebrautes und wünschte sofort, er hätte es nicht getan. Es schmeckte widerlich. Er gab sofort den Befehl, mehr als nur ein Branntweinfass zu
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