Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
recht. Wir können uns nicht verkriechen, weil wir nun einmal eine Aufgabe haben. Wir müssen versuchen, sie zu erfüllen, und dazu müssen wir zunächst einmal jeden neuen Tag überstehen.«
Caitlin gab auf und ungern auch zu, dass es wirklich müßig war, sich über mögliche Gefahren Gedanken zu machen, wenn allein ein Schneesturm heute Nacht ihr Leben beenden konnte.
In einem Zimmer in Kairan prasselte derweil ein Kaminfeuer, und heißer, gewürzter Wein wärmte die beiden Frauen, die gemütlich davorsaßen, auch von innen.
Hylia sah ihre Begleiterin über den Rand ihres Bechers mit gerunzelter Stirn an. »Was sollte das eigentlich gerade? Ich glaubte, Ihr wolltet den Prinzen lebend in die Hände bekommen!«
Juna wippte mit dem Stuhl, um an eine Schale mit Nüssen, die schräg hinter ihr auf einem Tisch stand, zu kommen, und lachte auf. »Er lebt doch auch noch!«
Ja, weil Caitlin ihm geholfen hat, dachte Hylia, behielt diesen Gedanken aber für sich. Sie war maßlos erstaunt gewesen, die Anwesenheit der Nebelprinzessin zu spüren. Hatte sie sie doch tot geglaubt. Eine unglaubliche Freude hatte sie durchflutet, aber wie, im Namen der Göttin, kam Caitlin ins Wintergebirge?
»Was ist? Ihr wirkt so nachdenklich«, bemerkte Juna und knabberte an einer Nuss.
»Ich bin es nicht gewöhnt, dass man unschuldige Menschen zu Tode foltert und andere nur zum Vergnügen quält«, erklärte Hylia. »Ich werde schlafen gehen. Zurzeit benötigt Ihr mich ja wohl nicht. Nur eins möchte ich Euch noch sagen: Ich habe die Anweisung, Euch zu unterstützen. Ginge es nach mir, wäre ich nicht hier. Eure Vorgehensweise widert mich an.«
Juna pruste durch die Nase. »Sagt ausgerechnet eine Frau von der Nebelinsel! Zimperlich wart ihr doch nie.«
Das Gesicht der Priesterin blieb ausdruckslos. »Es ist ein Unterschied, ob man Gewalt zur Durchsetzung höherer Ziele anwenden muss oder ob man es zum Vergnügen tut. Dieses Talermädchen konnte Euch überhaupt nichts Wissenswertes erzählen, trotzdem habt Ihr es getötet, nur so zum Spaß! Der Seher hätte auch nicht sterben müssen, und den Prinzen wollten wir aufspüren, mehr nicht! Ich empfinde Abscheu über Eure Vorgehensweise.«
Diesmal lächelte Maluchs Ziehtochter nicht. Die blauen Augen blitzten. »Meint Ihr nicht, Ihr seid ein wenig unvorsichtig? Ich könnte schließlich auf den Gedanken kommen, Euch nicht mehr zu benötigen, jetzt da ich dort bin, wo ich hinwollte, und weiß, dass der Prinz noch dort ist, wo wir ihn vermuteten.«
Hylia hielt Junas Blick ungerührt stand. »Spart Euch Eure Drohungen! Ich fürchte mich nicht vor Euch, und Ihr solltet bedenken: Ich kenne Eure Macht sehr wohl, aber Ihr kennt meine Fähigkeiten nicht einmal zur Hälfte. Ich bin durch die Weisung meiner Königin an Euch gebunden und werde Euren Wünschen daher nachkommen müssen, aber ich muss nicht so tun, als ob mir das gefiele. Ich verabscheue Euch, Juna. Sollte ich einmal von Eurem Ableben erfahren, werde ich den Göttern ein Opfer darbringen. Habt Ihr noch Wünsche, oder kann ich mich zurückziehen?«
Kerzengerade stand sie in ihrem schlichten, weißen Gewand da und strahlte Ruhe und Gelassenheit aus.
Juna unterdrückte ihre Rachegelüste, da sie in der Tat nicht wusste, wie stark die Priesterin wirklich war. Im Gegensatz zu Hylia wirkte sie keinesfalls gelassen, als sie fauchte: »Ihr könnt gehen!« Ihr Gesicht war weiß vor Wut.
Hylia verließ das Zimmer, spürte ihre weichen Knie und schloss erleichtert die Augen. Sie war zu weit gegangen und musste sich in Zukunft besser beherrschen, denn auf ein Kräftemessen mit Juna wollte sie es nicht ankommen lassen. Entgegen ihrer kühnen Behauptung war sie sich nämlich ziemlich sicher, zu unterliegen. Froh, niemandem zu begegnen, suchte sie ihr Zimmer auf. Eine dicke Kerze erhellte den kalten Raum. Sie ging zum Fenster und lächelte erfreut, als sie ihr Bett passierte. Die Hitze einer Wärmpfanne strahlte von dort aus. Es lohnte sich immer, freundlich zu den Zimmermädchen zu sein.
Sie stieß die Fensterläden auf, um noch einmal frische Luft einzuatmen. Obwohl eisige Luft sie frösteln und sich ihre Arme reiben ließ, schaute sie gedankenverloren auf das schneebedeckte Kairan.
Tagsüber brodelte es in der Stadt. Händler und Kunden feilschten um Preise, die Spione von Vater Ligurius, die Wolfsjäger und die Hordenkrieger traten sich in ihrem Eifer auf die Füße und kontrollierten jede Straße, jedes Haus und jeden Mann, aber jetzt war
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