Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
nicht mehr nach Wildnis schmeckte, im Mund kreisen, setzte sich auf und langte über Gideons Schoß hinweg zu dem Tischchen. Nur unwesentlich später stopfte sie Gebäck in sich hinein.
»Hhmm, lecker«, brachte sie zwischen zwei Bissen hervor und schloss genießerisch die Augen.
Rhonan holte eine Schale mit Nüssen vom Nachbartisch und hielt sie ihr hin. »Ich weiß ja, dass dein Magen leer ist. Schling trotzdem nicht so! Du musst sonst kotzen.«
Sie aß die Nüsse nicht einzeln, sondern stopfte sich immer so viel in den Mund, wie sie greifen konnte. Kauend nuschelte sie: »Ich kotze nie, ich muss mich höchstens übergeben, und solange ich hinterher wieder essen kann, ist mir das heute gleichgültig.«
Gideon schüttelte lächelnd den Kopf und trank selbst noch einen Schluck Wein.
»Sind noch mehr Nüsse da?«
Während Rhonan sich auf ihren auffordernden Blick hin auf die Suche machte, spülte sie wieder Kekse mit Wein hinunter. Begeistert nahm sie dann die zweite Schale mit Nüssen vom Prinzen entgegen und fragte: »Wo sind wir hier, und wie kommen wir hierher?«
»Keine Ahnung, wie wir hergekommen sind! Und, wo wir sind? Ich würde schätzen ...«, setzte der Prinz an, wurde aber unterbrochen.
»Willkommen im Eispalast!«
Rhonan wirbelte herum, das Schwert bereits in der Hand.
Auch Gideon erhob sich, allerdings nur aus Höflichkeit, denn vor ihnen, aus dem Nichts erschienen, stand eine Frau. Sowohl ihr schlichtes, fließendes, weiß schimmerndes Gewand als auch ihre weißblonden Haare wehten leicht, obwohl sich kein Lüftchen regte.
Ihr Blick fiel auf die Waffe, und ihr Gesicht strahlte Belustigung aus. »Dein Schwert benötigst du hier nicht, und es würde dir auch wenig nützen, Erbe da’Kandars!«
»Wer seid Ihr?«, fragte der, während er die Waffe in die Scheide gleiten ließ. Er blieb wachsam, kam sich gegenüber einer unbewaffneten Frau mit einem Schwert in der Hand allerdings lächerlich vor.
Caitlin, die nichts sehen konnte, wegen der weiblichen Stimme aber halbwegs beruhigt war und meinte, keine Deckung mehr hinter Rhonan suchen zu müssen, spähte um ihn herum. Was sie sah, gefiel ihr überhaupt nicht: Die große, gertenschlanke Frau, deren Hüften ein mit Edelsteinen verzierter Gürtel betonte, war bildschön und zeigte jetzt zu Caitlins Unwillen auch noch ein Lächeln, das ihr Gesicht erstrahlen ließ.
»Ich bin Palema, erste Großkönigin da’Kandars und deine ... Ahnfrau!«
Die Nebelprinzessin atmete beruhigt ein und schob sich wieder Nüsse in den Mund: Eine Ahnfrau, so gut sie auch aussah, war in Wirklichkeit uralt und damit keine Konkurrenz.
Gideon schluckte und überlegte, ob er niederknien sollte wie vor dem Standbild seiner eigenen Ahnfrau, als Rhonan mit nüchterner Stimme wissen wollte: »Die Wintergöttin seid Ihr demnach nicht?«
Dunkles Lachen erfüllte den Raum. »Fürchtest du, du hättest dich in der Tür geirrt? Glaubst du, die Wintergöttin könnte vielleicht nebenan wohnen?«
Sie sah, wie seine Augen sich verengten und sein Kiefer mahlte, und ergänzte: »Dass eine Göttin hier wohnt, ist nur ein Gerücht, das wir nutzen, um uns zu schützen. Was glaubst du, wie lange es dauern würde, bis Heere sich aufmachen würden, um uns unser Geheimnis und die kostbaren Siegel zu entreißen, wüssten sie, wer hier lebt? Wer jedoch legt sich mit einer Göttin an? Wir haben genug gelitten und sind des Kämpfens müde.« Sie seufzte auf, bevor sie weitersprach: »Sei willkommen. Du bist am Ziel deiner Reise, Nachfahre. Doch dieses Ziel wird gleichzeitig der Beginn einer neuen und viel größeren Reise sein.«
Sie sah von ihm zu Gideon, zu Caitlin und wieder zurück. »Die Prophezeiung wies euch den Weg. Was eure Vorfahren, Dala, Myria und ich einst vollbrachten, müsst ihr jetzt wiederholen. Doch ohne unsere Unterweisung wird euch das nicht gelingen. Es bedarf eines Gelehrten, der die Alte Sprache beherrscht, es bedarf einer Priesterin, die große Magie wirken kann, und es bedarf eines Kriegers, der das Schwert der Alten Könige gegen die Dämonen führen kann.«
Erneut ließ sie ihren Blick vom einen zum anderen schweifen. »Ihr seid unsere Nachfahren, aber eure Fähigkeiten sind mit unseren nicht mehr zu vergleichen. Noch seid ihr zu unwissend und schwach für eure Aufgaben. Wir waren Meister, ihr seid Lehrlinge. Deswegen musste euer Weg zunächst hierherführen.«
Gideons Stimme war voller Ehrfurcht, als er fragte: »Habe ich Euren Worten richtig entnommen, dass auch
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