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Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis

Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis

Titel: Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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Hexe ... er hatte getrunken, ein Schwert gesehen und dann? Es war so still. Nur ein Pferd wieherte. Wo waren die Männer? Kaum anzunehmen, dass alle schliefen.
    Er rollte sich möglichst geräuschlos herum und blickte in die leeren Augen eines Mannes. Verwirrt quälte er sich auf die Knie und sah um sich herum. Das Bild, das sich ihm bot, bewirkte, dass er sich auf der Stelle übergab. Da er kaum etwas im Magen hatte, das der hergeben konnte, würgte er schließlich nur noch trocken.
    Er wagte kaum, wieder hochzusehen, denn Kinian, die Spione und die Hexe lagen tot um ihn herum. Aber sie waren nicht nur tot – das hätte ihn lediglich erfreut –, sie waren zerstückelt. Abgetrennte Arme, Unterschenkel, Köpfe, sogar Gedärm waren über die Lichtung verteilt. Kein Leichnam war noch in einem Stück. Der Schnee war rot, genau wie sein Körper.
    Unweit der Stelle, an der das Pferd ihn geweckt hatte, lag ein Schwert: Klinge und Griff blutig. In Gedanken sah er seine Hand, wie sie sich um ihn schloss. Hatte er allein in Raserei zehn Männer und eine alte Frau abgeschlachtet? Er schloss die Augen, presste die Hände an die Schläfen und hoffte, aus diesem Alptraum zu erwachen. Doch es war kein Traum. Bilder setzten sich zusammen, Bilder von kämpfenden, blutenden und schreienden Männern. Arme wurden von Schultern getrennt, Beine zerschlagen, Bäuche aufgeschlitzt, Kehlen durchschnitten. Eine Frau schrie und starb. Ihr Kopf rollte ins Lagerfeuer. Rhonan schlang die Arme fest um sich, wiegte sich vor und zurück wie ein kleines Kind und murmelte immer wieder: »Wer bin ich? Was bin ich?«
    Er wusste nicht, wie lange er auf dem Boden gekauert hatte, als ihn nahes Wolfsgeheul in die Wirklichkeit zurückholte. Uralt fühlte er sich, als er sich vom Boden hochdrückte und Kleidung und Waffen zusammensuchte. Dabei mied er den Blick auf die übel zugerichteten Leichen.
    Auf dem Weg zurück machte er unterwegs halt, da er den Anblick seiner blutbesudelten Hände nicht mehr ertragen konnte. Wie besessen scheuerte er an seiner rechten Hand herum, weil er das Blut nicht wegbekam, bis er begriff, dass immer wieder frisches aus einem Schnitt nachfloss. Ihm fiel ein, dass er wahrscheinlich noch andere Wunden davongetragen hatte, aber er beschäftigte sich nicht weiter mit dem Gedanken. Es war ihm gleichgültig. Er spürte keinen Schmerz, sondern Leere, Müdigkeit und Abscheu vor sich selbst.
     
    Es ging auf Mitternacht zu, als er die Mine erreichte. Etliche Zeit stand er davor und konnte sich nicht überwinden, hineinzugehen. Als Kundschafter war er aufgebrochen, und als Barbar, der im Blutrausch wehrlose Frauen zerhackte, kehrte er zurück. Unmöglich konnte er seinen Begleitern gegenübertreten, denn dieser Wandel musste ihm anzusehen sein. Das Pferd stupste ihn an, und Rhonan tätschelte seinen Hals. »Hast ja recht. Besser wird durch die Warterei nichts.«
    Er war kaum eingetreten, als Caitlin erleichtert aufschrie: »Oh Rhonan, endlich!«
    Gideons »Bei allen Göttern! Was ist mit dir geschehen?« kam nur unwesentlich später.
    Rhonan drückte ihm die Zügel in die Hand, ohne ihn anzusehen, und erklärte: »Alles in Ordnung. Ich geh jetzt baden und will nicht gestört werden.« Schon war er verschwunden. Die Prinzessin starrte ihm mit offenem Mund hinterher und beschwerte sich dann lauthals über diese Unhöflichkeit. Schließlich hatte sie sich den ganzen Tag gesorgt.
    Irgendwann hielt Gideon weder ihr Geschimpfe noch seine eigenen Sorgen mehr aus und ging zur Quelle. Rhonans Waffen, Mantel, Weste und Stiefel lagen auf dem Boden. Er selbst lag mit geschlossenen Augen und der übrigen Kleidung im Wasser, das ihn rot umspülte.
    »Verschwinde!«, knurrte der Prinz, ohne die Augen zu öffnen.
    »Ich habe meinen Medizinbeutel dabei«, widersprach der Verianer. »Du bist verletzt. Lass dir helfen!«
    »Ich will keine Hilfe, ich will meine Ruhe!«
    »Ach komm! Benimm dich nicht wie ein kleiner Junge! Weißt du, wenn du blutend im heißen Wasser sitzt, blutest du immer weiter. Es hört dann einfach nicht auf. Außerdem solltest du mir erzählen, was geschehen ist!«
    Er erhielt keine Antwort und seufzte schwer. »Du warst zu lang allein. Jetzt bist du Teil einer Gruppe, in der jeder auf den anderen angewiesen ist. Und weil wir, Caitlin und ich, dich wirklich brauchen, komm aus dem Wasser raus, bevor du aufgrund von Kratzern stirbst!«
    Erneut wartete er vergeblich auf eine Reaktion. »Himmel, Rhonan, ich gehe nicht weg, bevor ich dich

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