Neobooks - Die Zitadelle der Träume
Aussehen und Geist betrifft. Außerdem lag er ihr, nach ihren Aussagen zumindest, bereits zu Füßen. Ich glaube das natürlich nicht, denn dann wären sie bestimmt schon verbunden. Meine Schwester war schließlich noch nie für halbe Sachen und schon gar nicht geduldig. Ihre Schönheit ist zwar nach wie vor kaum zu übertreffen, ihre schroffe und selbstherrliche Art allerdings ebenso wenig. Ich frage mich ernsthaft, ob es tatsächlich einen Sterblichen geben könnte, der sich zu ihr hingezogen fühlen könnte. Dala hat es dann doch noch geschafft, sie zu verärgern, als sie fragte, ob der auserwählte Gatte wohl wüsste, dass seine zukünftige Frau stolze hundertvierundzwanzig Jahre alt wäre. Palema war ausgesprochen wütend, und Salia musste sie dann beruhigen. Mit ihrer ach so gefühlvollen und verständigen Art ist ihr das natürlich auch gelungen. Es war jedenfalls das erste Mal, dass Palema sich gut mit unserer Jüngsten verstand. Sie waren ein Herz und eine Seele.
Dieses Treffen war jetzt sehr gelungen. Ich lache immer noch, wenn ich daran zurückdenke. Und ausgerechnet Salia habe ich mein seltenes Glücksgefühl zu verdanken. Meine süße Schwester hat sich verbunden. Sie strahlte vor Glück und Liebe und streichelte ihren runden Bauch immerzu. Der Anblick hätte mich wohl mit Ekel erfüllt, wenn es nicht ausgerechnet der da’Kandar-König gewesen wäre, der ihren Bauch gefüllt hatte; ausgerechnet dieser starke, geistreiche und gutaussehende König, den Palema sich zuvor zum Gatten auserkoren hatte. Palema spuckte Gift und Galle, Salia brach in Tränen aus, weil sie doch nicht geahnt hatte, dass sie ihrer eigenen Schwester den Mann ausgespannt hatte, und Dala lachte sich krumm, weil der gute Mann offensichtlich gar nicht gewusst hatte, dass er doch Palema angebetet hatte. Selten habe ich mich so gut unterhalten. Ich fand es ausgesprochen schade, dass Palema unser jährliches Treffen wutentbrannt schon sehr früh verließ, aber zumindest war es wohl das erste Mal, dass Salia nicht so dumm zufrieden vor sich hin glotzte, sondern vor Kummer weinte. Dass Dala und ich so viel Spaß hatten, hat sie überhaupt nicht getröstet. Als ich ihr dann vorschlug, Palema doch damit zu trösten, dass sie ihr die Patenschaft für ihr erstes Kind anbot, ist sie dann auch gegangen, aber Dala und ich, wir haben noch lange gelacht.
Salia war heute nicht bei unserem jährlichen Treffen dabei. Es war das erste Mal, dass eine fehlte, aber ihr kleiner Sohn war so schwer erkrankt, dass sie ihn nicht allein lassen wollte. Es war schon seltsam, aber so gut wie diesmal habe ich mich lange nicht mehr mit Dala und Palema verstanden. Wir haben gelacht und gescherzt, und dann haben wir uns gefragt, warum wir heute eigentlich so überaus gut gelaunt waren. »Weil diese fürchterliche Salia nicht da ist, um uns die Laune zu vermiesen«, sagte Palema irgendwann, und sie hatte recht. Bei näherer Überlegung stellten wir fest, dass immer sie es gewesen war, die uns erklärt hatte, es wäre nicht richtig, Schriftstücke über Menschenleben zu stellen, die Feldzüge grausam fand und die dauernd versucht hatte, mich davon zu überzeugen, dass ich meine Kräfte dafür einsetzen sollte, Krüppel zu heilen. Was wir auch getan hatten, nach Salias Dafürhalten war es nie richtig gewesen. Was am fürchterlichsten war, war dabei ihre Art, immer so traurig, fast mitleidig zu gucken. Nie werde ich ihren umflorten Blick vergessen, als ich ihr erklärte, die Götter hätten bestimmt keine Krüppel erschaffen, nur damit ich sie dann heile. Das wäre Ketzerei.
Heute hatten wir jedenfalls richtig Spaß. Die Gläser kreisten, und das Gelächter wurde immer lauter. Dann wurde es plötzlich anders, als Palema uns offenbarte, dass ihr Herz immer noch an Rhonan da’Kandar hing und dass sie nie über diesen Verlust hinwegkommen würde. Eine ganze Zeit lang war es still, bis Dala erklärte: »Dann hol ihn dir doch!«
Ich kann es immer noch nicht richtig fassen, aber wir haben heute beschlossen, unsere jüngste Schwester loszuwerden. Wir haben sogar eine sehr anregende Zeit damit verbracht, Pläne dafür auszuarbeiten. Erst jetzt wird mir bewusst, dass keine von uns während der ganzen Zeit einen einzigen Zweifel an der Richtigkeit unseres Vorhabens geäußert hat. Nach all der Zeit haben wir endlich beschlossen, Salia zu töten, und ich finde es einfach nur großartig, diesen Dorn in meinem Fleisch endlich loszuwerden.
Wir haben es
Weitere Kostenlose Bücher