Neobooks - Die Zitadelle der Träume
hättest du keinen Wimpernschlag lang gezögert. Was ist nur aus dir geworden? Wo ist der Mann, der du einmal warst? Handle gemäß deiner Bestimmung und löse dich endlich wieder vom Gängelband dieser Priesterin!«
»Sei still!«
In ihm drehte sich alles, aber sie lachte höhnisch auf. »Narr! Du wirst keine Kämpfe mehr gewinnen, wenn du dich an Weiberröcke klammerst. Deine Stärke wird schwinden, wenn du nur noch Caitlin gefallen willst. Deine Frau kennt uns nicht. Sie weiß nichts von unseren Leiden. Du hast ihr zwar von der Mordnacht auf da’Kandar erzählt, aber nicht, dass du dich ein Jahr lang kaum bewegen und vier Jahre lang nicht sprechen konntest. Das wäre denn doch zu viel für deine zartbesaitete Frau gewesen. Doch du solltest nie vergessen: Die schlimmsten Wunden habe ich davongetragen bei dem Versuch, dich zu schützen. Ich habe ungleich mehr gelitten als du, und ich habe dir die Gelegenheit für unsere Rache verschafft. Nutze sie! Erlöse dich selbst von den Träumen und deine erbärmliche Familie vom berechtigten Verlangen nach Vergeltung. Erweise dich nur einmal als würdiger Erbe. Wie kannst du noch warten? Geh und töte den Mörder, den grausamen Schlächter! Lass ihn langsam sterben und sieh ihm dabei zu. Du hast dich jahrelang deiner Verantwortung entzogen und dich verkrochen. Wenn du selbst jetzt noch versagst, da dir die Rache in den Schoß gelegt wird, werden die Toten dich zu Recht auf ewig verdammen. Denk darüber nach, Rhonan da’Kandar, einziger überlebender Nachfahre des so ruhmreichen und in nur einer einzigen Nacht nahezu ausgelöschten Geschlechts der Alten Könige!«
Blicklos starrte er lange vor sich hin. Seine Umgebung nahm er schon längst nicht mehr wahr, denn vor seinem geistigen Auge versammelten sich die Toten der Vergangenheit und seine lebenden Begleiter und bestürmten ihn mit ihren unterschiedlichen Ansichten über Vergangenheit und deren Bewältigung, Zukunft und deren Wurzeln, Forderungen nach Rache und Vergeltung und dem Recht auf Frieden und Vergessen … und sie hatten alle recht.
Schritte knirschten im verharschten Schnee. Er hatte schon damit gerechnet, dass Caitlin früher oder später kommen würde, und rieb sich hastig über die Augen.
Aber es war gar nicht seine Frau, sondern Derea, der auf ihn zugeschlendert kam. »Ich muss mit Euch reden, Prinz.«
»Tatsächlich?« Nur mühsam fand er in die Wirklichkeit zurück.
Der Hauptmann setzte sich neben ihn, nickte und sah unschlüssig vor sich hin. »Ihr seid ein hervorragender Schwertkämpfer. Fast bin ich froh, dass Ihr nur Eure linke Hand benutzen konntet.«
»Ihr wart ein gleichwertiger Gegner. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, Euch zu danken. Ihr habt einen meiner Erzfeinde getötet und mir das Leben gerettet.«
Derea winkte müde ab. »Ich wünschte, wir hätten früher kommen können.«
Der Prinz schwieg, und er fuhr fort: »Eure Waffe ist … mehr als beeindruckend. Nie hätte ich geglaubt, dass es das legendäre Kahandar wirklich gibt.«
»Und Ihr kämpft mit den Zwillingsschwertern. Lassen wir das! Ihr seid doch bestimmt nicht mitten in der Nacht zu mir gekommen, um mit mir über Schwerter oder die Kunst, sie zu führen, zu reden.«
Der Hauptmann seufzte leicht. »Nein! Wir beide sind in einer verdammt dummen Lage.«
»Die da wäre?«
»Na ja, Ihr wollt den General töten, und ich kann das nicht zulassen.«
Rhonan sah ihn nach wie vor nicht an, sondern starrte weiter vor sich hin. »Ihr solltet meine Gründe doch verstehen.«
»Ich verstehe Euch nur zu gut, aber ich muss Euch trotzdem davon abhalten.«
»Und warum?«
»Der General ist mein Vater«, erklärte er, stutzte und fügte dann gewissenhaft hinzu: »Nur mein gezwungener Erzeuger. Irgendwie bedeutet das wohl nicht viel, und ich kenne ihn tatsächlich nicht viel länger als Ihr. Aber diese schlichte, familiäre Bindung hindert mich daran, zuzulassen, dass Ihr ihn tötet.«
»Euer Vater?« Die Stimme des Prinzen klang überrascht.
»Na ja, eher Zuchtmaterial für Ayala. Er wollte gar keine Kinder und sie keine Söhne. Ich war ein missglückter Wurf und, wie ich schon sagte, ich kenne ihn kaum länger als Ihr.«
»Ayala? Dann seid Ihr Caitlins Halbbruder? Das hat sie mir gar nicht erzählt.«
Er lächelte verständnisvoll. »Seit ich Eure Frau kennengelernt habe, war sie in Sorge um Euch. Ich glaube, sie hat noch nicht darüber nachgedacht. Bevor sie geboren wurde, waren mein Bruder und ich ja auch schon bei Königin
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