Neobooks - Die Zitadelle der Träume
zumindest einen kleinen Ast erreichen und zog und zerrte.
Gemeinsam gelang es ihnen mit Müh und Not, den Baum an Land zu ziehen. Beide ließen sich ermattet auf den Rücken fallen, als es geschafft war, und starrten eine Weile lang in den Himmel.
»Das soll jetzt unser Lebensretter sein?«, fragte sie schließlich mit hörbarem Zweifel.
Derea setzte sich auf, rieb seine Schulter und grinste sie an. »Seht ihn Euch an, Juna! Er ist alt und stark, und im Gegensatz zu Euch kann er schwimmen. Glaubt mir, Ihr werdet schnell Gefallen an unserem neuen Begleiter finden.«
»Wenn er so großartig ist, was macht er dann hier im Wasser, genau wie wir? Aber zumindest schwätzt er nicht dumm rum wie manch anderer. Wisst Ihr jetzt so ungefähr, wo wir sind?«, fragte sie, und er nickte sofort und deutete auf einen Gebirgszug.
»Das müssten schon die Ausläufer des Westgebirges von El’Maran sein. Wenn ich mich nicht sehr irre, ist der platte Berg dort der Tafelgipfel. Ich würde meinen, dass wir uns irgendwo in den Westprovinzen befinden müssten.«
Sie nickte nur. Zumindest die Richtung ihrer Reise stimmte. Jetzt musste sie nur noch den Fluss überleben und dann irgendwie ihren Begleiter loswerden.
Einige Zeit später hatten sie den Fisch vertilgt, und Derea schnitt am Baum herum und brach störende Äste ab. Juna hatte sein Hemd ausgezogen und schwitzte vor sich hin. Die Sonne brannte, und sie konnte kaum glauben, dass sie vor wenigen Tagen noch im Schneesturm gefroren hatte.
Endlich war der Hauptmann fertig und betrachtete zufrieden sein Werk. »So müsste es gehen.«
Er wandte sich seiner Begleiterin zu. »Ich werde Euch zur Sicherheit daran festbinden. Sollten wir uns verlieren, müsst Ihr darauf hoffen, an Land getrieben zu werden. Ich will Euch keine Angst machen, aber der Weststrom ergießt sich letztendlich in den Sommersee. Mit Ergießen meine ich … als Wasserfall! Ich werde versuchen, uns vorher an Land zu bringen, aber die Strömung ist stark und der Fluss breit. Macht auf dem Wasser, was ich Euch sage, und verhaltet Euch sonst möglichst ruhig!«
Sie nickte tapferer, als sie sich fühlte. »Nehmt mir bitte die Kette ab.«
»Könnte Euch das im Wasser helfen?«
»Nein, aber …«
»Kommt, Juna, wir sollten uns auf den Weg machen.« Er half ihr hoch, und sie stöhnte unwillkürlich auf, als sie ihren Fuß belastete, und stützte sich fester auf ihn, was ihn wiederum aufstöhnen ließ.
Sie betrachtete ihn genauer. Die Haut, die nicht von Verbänden verdeckt war, war völlig verschrammt und schimmerte in allen Regenbogenfarben. Sie nahm an, dass sie unter ihrer zerrissenen Kleidung nicht anders aussah, und lachte auf. »Sind wir nicht ein richtiges Traumpaar, Hauptmann?«
Er grinste zurück. »Das sind wir, Hexentochter. Lasst Euch jetzt ins Wasser gleiten und haltet Euch fest!«
»Womit wollt Ihr mich festbinden?«
»Mit meinem Hemd. Oder habt Ihr noch etwas Brauchbares unterm Kleid versteckt?«
Sie sah ihn an, und ihre Augen funkelten wild. »Das habe ich ganz sicher, aber sollten wir uns darüber nicht erst auf dem Festland unterhalten? Hier ist es sehr ungemütlich.«
»Ihr seid in der Tat einmalig«, erklärte er kopfschüttelnd. »Dann los!«
Er schob den Stamm halb ins Wasser und half ihr dann in den Strom. Sie erschauerte heftig, verlor aber kein Wort über die eisige Kälte. Er band sie fest, schob weiter und glitt schließlich selbst ins Wasser. Rasend schnell ging es voran.
Derea versuchte verzweifelt, den Stamm näher ans Ufer zu bringen, aber so kraftvoll er auch schwamm, der Fluss war stärker. Juna unterstützte ihn, so gut sie konnte, kam regelmäßig seinen Aufforderungen, Wasser zu treten, umgehend nach, aber es brachte kaum etwas. Also beschloss er, ihre Kräfte besser für eine gute Gelegenheit zu sparen, und ließ sich treiben. Er dankte den Göttern dafür, dass hier zumindest nicht so viele Felsen ihren Weg versperrten.
Während ihre Gesichter zu verbrennen drohten und ihre Körper vor Kälte steif wurden, zog die Landschaft an ihnen vorbei: zum Greifen nah und doch so fern!
Juna hatte ihren Kopf auf den Stamm gebettet und regte sich nur noch, wenn dieser irgendwogegen krachte, und Derea musste sich bald zwingen, die Umgebung zu beobachten.
Die Sonne hatte längst ihren höchsten Punkt überschritten, als der Hauptmann eine kleine Landzunge sehen konnte, die in den Fluss hineinragte. Die weit ins Wasser hängenden Zweige einiger Uferweiden schienen erreichbar zu
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