Neobooks - Dreck muss weg!
später als ich.«
»Frau Dagelow, haben Sie denn irgendwas bemerkt? Gestern, nach dem Mittagessen?«
»Zum Mittagessen war Theda noch da. Wir sitzen am selben Tisch. Unterhalten kann man sich nicht mehr so gut mit ihr. War schon bisschen tüdelig geworden. Altwerden ist schiete, wenn’s hier oben nicht mehr funktioniert.« Sie tippte sich an den Kopf. »Bei mir wollen die Beine nicht mehr. Ist auch schiete. 2006 ist Theda gekommen. Bisschen später als ich.«
Marga lächelte. »Hat Frau Neehuis sich denn irgendwie anders verhalten in der letzten Zeit? War sie ängstlich oder aufgeregt?«
»Neeisch, warum sollte sie denn Angst haben?« Frau Dagelow sah Marga verblüfft an. »Aufgeregt war sie nur einmal, aber dann nicht mehr. Sie wollte nicht in den Hühnerstall, hat sie gesagt. Dabei haben wir doch gar keinen. 2006 ist Theda gekommen. Bisschen später als ich.«
Frau Lorei ging dazwischen. »Frau Neehuis war außer sich. Hatte panische Angst. Wir konnten sie kaum beruhigen.«
»Wie geht man damit um?«, fragte Marga.
Frau Lorei zuckte mit den Schultern. »Mit Geduld und Einfühlungsvermögen. Mit ganz normalem Menschenverstand.«
Hörte sich simpel an aus Frau Loreis Mund.
»Ich bräuchte dann noch Nummer und Anschrift des behandelnden Arztes von Frau Neehuis.«
Frau Lorei öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, ließ es aber bleiben. Marga wurde stutzig. »Gibt es Einwände?«
»Muss denn das sein?«, sagte Frau Lorei und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Sie sah plötzlich müde aus. »Jetzt wird sie bestimmt auch noch aufgeschnitten, die arme Seele. Das hätte sie nicht gewollt.«
Marga schwieg. Und dachte an Theda Neehuis’ schmutzige Lippen.
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Kapitel 8
Pewsum, Ostfriesland
A ls wären Wind und Regen nicht genug, fielen nun auch noch Eisklumpen aus der Luft. Der Winter gab sich nicht geschlagen. Die gelbe Manninga-Burg stand wie ein Legoturm in Pewsum Mitte. Marga fuhr durch den Kreisel, hielt sich links und parkte bei einem Supermarkt; sie brauchte unbedingt was zu essen. Der Parkplatz sah nach dem Hagelschauer aus, als hätte jemand Salz verschüttet. Im Supermarkt war eine Bäckerei, und Marga bestellte sich einen Kaffee zum Mitnehmen und eine große Rosinenschnecke. Während die Verkäuferin den Kaffee eingoss, bemerkte Marga, dass sie noch ihre Gummistiefel trug. Kein Wunder, dass Frau Lorei so geweint hatte, Marga war ihr mit den ollen Stiefeln quer durchs Haus gelatscht. Sie ging zurück zum Wagen, wechselte die Schuhe und nahm einen Schluck vom heißen Kaffee, ohne sich die Zunge zu verbrennen. Dafür war die Rosinenschnecke dröge und pappte ihr am Gaumen, und der fingerdicke Zuckerguss verwandelte sich in Konrads Spezialkleber. Frau Lorei hatte für Marga den Namen des Hausarztes aufgeschrieben. Dr. Brügge war in Pewsum ansässig. Außerdem hatte Marga die Adresse von Frau Neehuis’ Neffen erhalten, der ebenfalls in Pewsum wohnte. Marga hatte auf der Fahrt in den Ort bei ihm haltgemacht, aber niemanden angetroffen. Sie würde es später noch einmal versuchen. Ihr blieb noch eine knappe Viertelstunde bis zum Treffen mit Joki auf dem Bauamt. Sie ging zurück in die Bäckerei und erkundigte sich nach der Praxis von Dr. Brügge. Die schmucke weiße Villa war nicht zu übersehen, sie lag auf der anderen Seite des Marktplatzes, Marga konnte fast rüberspucken. Auf einem polierten Messingschild prangte Brügges Name. Marga öffnete die doppelte Tür mit den schmiedeeisernen Verzierungen, trat ein und war wieder draußen, noch bevor die letzten Krümel der Rosinenschnecke zwischen ihren Zähnen geschmolzen waren. Ohne richterliche Verfügung lief hier gar nichts. Keine Auskunft, keine Akte. Marga hatte die Sprechstundenhilfe unterschätzt. Freundlich, aber bestimmt war sie abgewiesen worden. Sie kramte nach ihrem Handy und orderte den Wisch in Aurich bei den Kollegen. Mit ein bisschen Glück würde das Papier noch heute per Fax in der Praxis landen. Sie umrundete den Marktplatz und kam zum Verwaltungsgebäude der Gemeinde. Jokis Passat stand schon vor dem Eingang, auf einem Parkplatz für Gehbehinderte, er selbst war nirgends auszumachen. Dann kam er angelaufen. Mit Schlagseite. Eine unförmige Plastiktüte baumelte neben seinem Bein, und die Griffe quetschten ihm die Hand ins Blauviolette. »Musste noch eben was besorgen. Da vorne ist ein Viersterneschlachter.« Er deutete über seine Schulter. »Die luftgetrocknete Mettwurst – eins a.« Behutsam legte er seine
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