Neobooks - Dreck muss weg!
So traurig. Sich im Selbstmitleid zu suhlen, war alles, was ihm geblieben war. Am liebsten hätte er sich auf den Boden geschmissen und laut gekreischt, so wie Eliza als Dreijährige an der Supermarktkasse, weil sie sich keinen Lolli aussuchen durfte.
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Kapitel 16
Hamburg-Winterhude, Polizeipräsidium
I m kleinen Besprechungsraum waren alle Plätze bis auf einen belegt. Auf der Fensterbank stand ein bunter Frühlingsstrauß in einer Kristallvase und verströmte einen leichten, süßlichen Duft. Die Uhr über der Tür war um fünf nach zwölf stehengeblieben. Seit Wochen schon. Jemand hatte die Batterie geklaut, und keiner der Kollegen fühlte sich zuständig, eine neue zu besorgen. Kriminalrat Bodo Steinhoff hatte sich hinter dem Blöd-Blatt verschanzt.
»Versicherung verschenkte Bond-Girls zum Geburtstag«,
las Kalle laut vor.
Bodo faltete die Zeitung zusammen. Seine Gesichtsfarbe war käsig. »Geile Titten, aber nichts für meine mickrige Besoldungsgruppe.«
»Schluss jetzt!«, bellte Guntbert.
Bodo, der wegen psychischer Probleme, so munkelte es über die Flure, ein halbes Jahr krankgeschrieben und erst seit Anfang der Woche wieder im Dienst war, zog den Kopf ein. Die Prävention gegen Burn-out, das Motto hatte sich die Polizeipräsidentin auf die Fahnen geschrieben, kam für ihn wohl zu spät. Er sah richtig scheiße aus. Aufgrund der Alterspyramide fehlte es an Nachwuchs, und so blieb nichts anderes übrig, als die ollen Säcke im Landeskriminalamt quasi in Frischhaltefolie einzuwickeln. Toller Plan. Kalle hatte schon viele Polizeiführungen kommen und gehen sehen, ändern tat sich nichts. Gesas Workshops waren dennoch eine willkommene Abwechslung und Balsam für die zarten Seelchen von Kriminalbeamten. Gesa war keine, die mit der Fraktion »Weiber gehören an den Herd« sympathisierte, so wie er. Aber hieß es nicht, Gegensätze ziehen sich an? Seine Affären polierten Kalles Selbstbewusstsein auf. Wohl wahr. Sein Herz berührte keine. Gesa tat es. Als Kind hatte es Kalle zutiefst verflucht, keine stinknormale spießige Familie zu haben wie alle anderen Kinder. Und heute sehnte er sich danach, noch mal Vater zu werden. Doch das war Kalle Bärwolffs bestgehütetes Geheimnis. Guntbert blätterte in einer Akte, sah auf die Uhr, runzelte die Stirn. Wo Jette Winter sich herumtrieb, erwähnte Guntbert mit keinem Wort. Er nickte Kalle zu. »Leg los. Aber bitte chronologisch und nicht chaotisch. Da steigt sonst wieder kein Schwein durch.«
Eines Tages würde Guntberts Leiche gefunden werden. Kopfschuss oder so. Und keiner der Kollegen würde auch nur einen Finger krümmen, um den Fall aufzuklären!
Getröstet von diesem charmanten Gedanken, warf Kalle einen Blick auf seine Notizen und legte das Fax, das er kurz vorher erhalten hatte, zur Seite. Er stand auf, schob die Vase mit den Blumen an das Ende der Fensterbank. Auf dem begrünten Flachdach jagte eine laut schimpfende Elster die Tauben davon. »Also, was haben wir bis jetzt … Die Tote ist zwischen 75 und 80 Jahre alt. Sie ist 1 , 65 Meter groß, 45 Kilogramm schwer, hat also extremes Untergewicht und 1 , 5 Promille im Blut.«
»Bei der halben Person ist das sturzbetrunken«, warf Guntbert ein.
»Der Todeszeitpunkt war etwa siebzehn Stunden vor Auffinden der Leiche, also etwa um 21 Uhr am Sonntag, den 20 . Februar. Todesursache: vermutlich Erfrieren. Unklar ist, warum sie die Laube nicht einfach verlassen hat. Die Tür war nicht abgeschlossen, nach allem, was wir bis jetzt wissen. Möglich, dass sie orientierungslos gewesen ist. Der Alkoholspiegel würde dafürsprechen.« Kalle hielt inne. Vor seinem inneren Auge sah er wieder Eliza neben der Hand im Schnee liegen. Das Bild ließ sich nicht einfach löschen, obwohl es sich um falschen Alarm gehandelt hatte. Wenn Eliza etwas zustieße, Kalle würde durchdrehen.
»Und wie weiter?«
Kläffende Chefs sollte man an der Autobahn aussetzen. »Sorry«, Kalle vergrub die Hände in den Hosentaschen und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein. »Die vollständigen Untersuchungsergebnisse kriegen wir frühestens morgen Vormittag. Die Rechtsmedizin geht am Stock. Wusstet ihr das?«
Bodo schüttelte den Kopf. Na klar, Guntbert setzte seine wichtige Miene auf und nickte. »Ja, von den erfahrenen Haudegen ist momentan keiner im Dienst. Die liegen alle flach mit Durchfall oder sind in San Francisco wegen des globalen Fluglotsenstreiks auf dem Internationalen Kongress für forensische Pathologie
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