Neobooks - Dreck muss weg!
gestrandet. Im Grunde können wir die Obduktion auch gleich selbst machen.«
Kalle zählte innerlich bis drei und fuhr fort. »Die Tote war nur mit Unterhemd und Unterhose bekleidet. In der Laube auf dem Boden verstreut waren ein schwarzer Daunenmantel mit Fuchspelzkragen, eine braune Stoffhose und ein brauner Kaschmirpullover, braune Stiefel mit Teddy-Futter sowie Nierenwärmer aus Angorawolle. Die Qualität der Klamotten deutet darauf hin, dass sie keine Hartz- IV -Erna gewesen ist.«
»Sexualdelikt? Pervers. Wer vergeht sich denn an ’ner Achtzigjährigen?« Guntbert glotzte aus seinen wässrigen Plüschaugen. Er hatte offensichtlich Mühe, die Tat aus professionellem Blickwinkel zu betrachten.
»Ein Obdachloser wurde bei der Leiche aufgegriffen, gestern gegen vierzehn Uhr. Er sitzt in U-Haft am Holstenglacis. Der Arzt hat ihn untersucht. Offenbar ist der Mann taubstumm. Ein Gebärdendolmetscher ist angefordert.«
»Arme Sau.« Bodo sprach aus, was Kalle dachte.
»Außerdem wurden sichergestellt: eine schwarze Lederhandtasche mit einer Geldbörse und einer Abo-Karte der Hamburger Hochbahn, sonst leer. Eine Tupperbox mit Keksen, auch leer, nur Krümel. Auffällig ist, dass sich in und um den Mund der Toten Reste von Erde und Hasenkot befanden. Da wir nicht davon ausgehen, dass sie den Dreck selber zu sich genommen hat, scheint es sich um eine Art Botschaft ihres Mörders zu handeln.« Kalle machte eine Pause.
Guntbert, dessen Kinn auf die Brust gesunken war, schreckte hoch.
»Bodo hat die Vermisstenanzeigen abgeglichen«, fuhr Kalle fort, ohne eine Bemerkung über das Nickerchen seines Chefs fallenzulassen. »Es gibt keine Übereinstimmungen.«
»Papperlapapp! Wozu der Aufwand? Wieso habt ihr die Tote nicht anhand der Abo-Karte längst identifiziert?«
Blödmann. Trotzdem, Guntbert durfte man nicht unterschätzen. Er hatte schon immer einen leichten Schlaf gehabt. Kalle nahm das Fax zur Hand. »Nach Auskunft der Kundendienstzentrale des Hamburger Verkehrsverbunds ist die Karte auf Käthe Brandt ausgestellt. Sie wohnt in der Seniorenresidenz Down Town, St. Pauli. Frau Brandt erfreut sich bester Gesundheit und feiert morgen ihren 85 . Geburtstag. Ich habe vor unserer Runde mit Sophia Prinz von der Geschäftsleitung telefoniert. Vermisst wird dort niemand. Nur sicherheitshalber erwähnt …«
Guntbert Meyer lief rot an. »Spar dir die Spitzen. Das Wichtigste kommt immer zuerst«, tobte er, »Prioritäten setzen, das lernst du in diesem Leben nicht mehr.«
Damit hatte er noch nicht mal unrecht. Kalle zählte die Kaffeeflecken auf dem Teppich. Wie sangen
Die Ärzte
so schön?
Lasse reden … Bleib höflich und sag nichts – das ärgert sie am meisten.
Wenn das so einfach wäre. Bodo sah von seinem Schreibblock auf. Sein rechtes Augenlid zuckte außer Kontrolle. Er schien Stress zu haben. Kalle sah zur Decke. Nein, dort schwebte keine liebe Omaseele herum, da hingen nur Spinnweben. Am liebsten würde Kalle Guntbert am Kragen packen und am Sicherheitshaken für die Fensterputzer aufhängen. Mit dem Stöckchenspringer an der Spitze war die Moral im Dezernat für Todesermittlungen ruck, zuck wieder im Keller, Teamtraining hin oder her. Der Fisch stank nun mal am Kopf zuerst.
»Ich wurde aufgehalten, tut mir sehr leid.« Mit frischem Luftzug fegte Jette durch die Tür.
Guntbert öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Bodo hustete in ein Taschentuch. Kalle, Weiberheld im Dauerdienst, holte den Blumenstrauß aus der Vase und schüttelte Jette die Hand. »Noch mal willkommen an Bord. Eine Frau hat uns gerade noch gefehlt.« Von einem Ohr zum anderen grinsend, überreichte er die Blumen.
»Tatsächlich? Ich bin es gewohnt, allein unter Männern zurechtzukommen. Damit meine ich nicht die Missionarsstellung beim Sex.«
Guntbert, der soeben einen Schluck Wasser zu sich genommen hatte, prustete ihn quer über den Tisch. Als würde sie ein unsichtbares Tutu mit den Fingerspitzen lüften, deutete Jette einen Knicks an. »Hallo allerseits. Mein Name ist Jette Winter. Ich wurde bereits gewarnt vor den Herrschaften. Aber ich überzeuge mich gerne selbst. Und … danke für die Blumen.« Sie wedelte mit dem Strauß.
Nettes Lächeln. Kalle beschloss, sich an den kleinen Dingen zu erfreuen. Guntbert Meyer räusperte sich und erhob sich aus seiner Liegestuhllage. Jette überragte ihn um gut zwei Köpfe. Autsch!
»Wir freuen uns, dass Sie unser Team tatkräftig unterstützen werden, Jette!« Er reichte Jette die
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