Neobooks - Dreck muss weg!
Hand, gefolgt von Bodo. Und zum Schluss reichte auch Kalle Jette noch mal die Hand. Sie drückte nicht so fest zu wie vorhin. Offenbar war sie der Meinung, die Fronten seien geklärt. Guntbert klopfte auf den Tisch. »Männer, wir sehen uns morgen in alter Frische!«
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Kapitel 17
Hamburg-Neustadt, Portugiesenviertel
W enn es seine Zeit erlaubte, machte Kalle auf dem Weg von seiner Wohnung zur U-Bahn Landungsbrücken einen Zwischenstopp im
Veloso
und frühstückte. Da Emma und Eliza auf ihr gutes Recht pochten und bis zum letzten Moment in den Federn lungerten, hatte Kalle es aufgegeben, den Auspeitscher zu spielen. Das artete sowieso in Nervenzusammenbrüche seitens Eliza aus:
Ich bin noch müde! Lass mich in Ruhe! Wieso ist mein Sportzeug nicht gewaschen? Du hast meine Essenskarte nicht aufgeladen! Ich hasse Mathe!
Dann folgte der obligatorische Kreischanfall. In der Pubertät schien es gewisse Parallelen zum Kleinkindtrotzalter zu geben. Kalle ahnte, dass dies nur der Anfang war. Er war nicht zum Helden geboren. Sein Job war anstrengend. Er brauchte einen klaren Kopf, und die halbe Stunde in der Früh – allein mit sich selbst – war ihm heilig. War das unverschämt? Nö. Im Café roch es nach frischen Brötchen und gebackenem Schinken. Kalle lächelte Beatrice zu. »Wie immer.« Die Sonne stand bereits wie eine Blutorange über den Dächern. Er setzte sich an den Tresen am Fenster und schloss die Augen. Wirklich Zeit für Frühling. Dunkelheit und Kälte würde er noch seinen ganzen Tod lang ertragen müssen. Der Winter war dieses Jahr eine Klette. Winter. Na toll, der würde niemals mehr vergehen. An Jette Winter gab es erst mal keinen Weg vorbei. Wenn er heute ins Präsidium kam, würde sie an ihrem Schreibtisch vis-à-vis sitzen. Seit Jahren hatte er das Büro für sich allein gehabt. Jetzt musste er es auf engstem Raum teilen – mit einer Frau, deren äußere Erscheinung ihm Sackjucken verursachte. Wer weiß, im Knast würde Kalle irgendwann über sich in der
MOPO
lesen:
Erst handelte es sich nur um Abneigung, dann wurde mehr daraus – Mord.
»Bitte schön. Lass dich schmecken.«
Kalle würde Beatrice sofort gegen Jette eintauschen. Lecker. »Obrigado.« Er riss das Päckchen Zucker auf, versenkte den Inhalt im doppelten Espresso und rührte um, trank einen Schluck. Te amo, Koffein! Gestern Abend war er erst kurz vor Mitternacht nach Hause gekommen. Wegen des Eisregens war der Feierabendverkehr komplett zusammengebrochen. Die Hochbahn hatte den Betrieb kurzerhand eingestellt. Vom Stephansplatz bis zum Michel hatte Kalle satte neunzig Minuten gebraucht. Der Holstenwall war eine spiegelglatte Glitsche gewesen. Und er wieder in Bommelslippern. Die Dinger waren reif für die Tonne. Wenigstens keine Gräten gebrochen. Eliza hatte schon geschlafen. Er war in ihr Zimmer geschlichen und hatte sich auf den Rand des Bettes gehockt. Vielleicht lag es am fahlen Mondlicht? Unter Elizas Augen waren dunkle Schatten gewesen, süßes Lächeln. Schmerzlich war ihm bewusst geworden, wie wenig sie miteinander redeten, und wenn, dann artete es meist in Gezicke aus. Keinen Schimmer, was für ein schöner Traum es sein könnte, den Eliza wohl geträumt hatte.
*
Hamburg-Eppendorf, Universitätskrankenhaus
Im Metrobus 5 Richtung Niendorf drängten sich die Fahrgäste aneinander wie auf dem Schlagermove, nur nüchtern, die meisten jedenfalls. Offenbar war das Sardinendosenfeeling bei weitem nicht schlimm genug, denn sich hinters Steuer zu setzen, war für Kalle der Horror pur. Angst vorm Fliegen war unter den Kollegen salonfähig, aber Angst vorm Autofahren war nur was für Sissis. Kalle redete nicht gerne darüber, so wie Analphabeten auch nicht an die große Glocke hingen, nicht schreiben und lesen zu können. An der Station Veilchenweg in Eppendorf stieg er aus. Von Veilchen fehlte jede Spur, dafür wiegten die Schneeglöckchen ihre Köpfe im Wind, als empörten sie sich über die Kackwürste, die ihr Beet verwüsteten. Jemand hatte Partysticker mit Deutschlandfähnchen in die Hundescheißhaufen gepiekt. Die Böen im Rücken ging Kalle mit zügigen Schritten auf den Rundbau zu, der nur aus Fenstern zu bestehen schien. Am Empfang zeigte er seinen Dienstausweis vor und winkte ab, als die rothaarige Asiatin ansetzte, ihm die Welt erklären zu wollen. Seit seiner Affäre mit Thao Behrmann vom Dezernat für Rauschgiftdelikte konnte er keine Vietnamesinnen mehr ausstehen. Vor knapp einem Jahr hatte es erst mit
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