Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)
Aussichten für den Rest der Nacht, als sie im Gleichschritt mit dem Jungen durch die stillen, dunklen Straßen zum Hotel schlenderte. Man konnte ihre Stimmung am Schwung ihrer Hüften ablesen, mit denen sie ihren Begleiter bei jedem zweiten Schritt anstieß, während sie an seinem Arm ging. Ross folgte ihnen mit etwas Abstand, wachsam und resigniert zugleich. Von Zeit zu Zeit sah er sich um, registrierte jedes Geräusch und war darauf gefasst, jeden Moment einen Van auftauchen zu sehen. Gleichzeitig wusste er, dass sie hilf- und schutzlos waren, wenn es tatsächlich dazu kam. Er war froh, als sie auf der Hafenpromenade ankamen und das Hotel vor sich sahen, und er atmete auf, als das Paar vor ihm in dem erleuchteten Eingang verschwand. Als er kurz nach ihnen eintrat, warteten sie auf den Fahrstuhl und küssten sich. Er blieb an der Tür stehen, sah ihnen quer durch die Lobby zu – gemeinsam mit dem Nachtportier; sie waren nicht zu übersehen – und fühlte, wie die Spannung der vergangenen zehn Minuten von ihm abfiel. Auch sein Ärger hatte sich gelegt. Die beiden gefielen ihm. Sie waren ein schönes Paar. Sie hatten heute Glück gehabt, dass sie sich über den Weg gelaufen waren, fand er, besonders der Junge. Ob ihm das klar war? Junge, sagte Ross in Gedanken, vermassele es nicht. Aber das Mädchen würde das nicht zulassen. Er hatte sie den ganzen Abend erlebt: Sie war ganz offensichtlich mit der Gabe gesegnet, Glück, das sie erfahren wollte, selbst mitzuerschaffen.
Ross nahm den nächsten Aufzug. Als er sein Zimmer betrat, sah er sofort den schmalen Streifen Helligkeit. Die Schiebetüren waren nicht vollständig geschlossen. Er machte kein Licht, streifte die Schuhe ab und lief lautlos durch den Raum. Auf seiner Seite hatte er die Türen weit offen gelassen, als er zu Beginn des Abends zum Auftritt des Mädchens nach nebenan gegangen war. Die Türflügel auf ihrer Seite waren bis auf einen Zentimeter zusammengeschoben. Ross presste die Fingerspitzen in die Vertiefungen der Polsterung und versuchte, den Spalt zu schließen, aber die Türen rührten sich nicht. Bevor er sich entschließen konnte, sie mit Gewalt zu bewegen und dabei womöglich Lärm zu machen, hörte er das Paar auf der anderen Seite. Der Tonfall ihrer halblauten Unterhaltung und die sie begleitenden Geräusche waren eindeutig. Ross zog sich zurück. Er machte auch keinen Versuch mehr, die Türflügel in seinem Zimmer zu schließen, denn er erinnerte sich, wie sie in ihren Rollen rumpelten. Er zog sein Jackett aus und suchte sich im Dunkeln einen Sessel. Als er sich setzte, fühlte er den Plastikbeutel in der Hosentasche. Shit. Er hatte vergessen, etwas zu besorgen, womit er das Zeug rauchen konnte, ein Stück Alufolie oder Zigarettenblättchen. Zu dumm. Ross warf den Beutel auf den Telefontisch und machte es sich bequem. Es war kurz nach drei. In einer Stunde oder so würde es hell werden. Er war nicht übermäßig müde und richtete sich darauf ein, sicherheitshalber wach zu bleiben, bis der Junge gegangen war.
Eine Zeitlang kam aus dem anderen Zimmer nur hin und wieder ein undeutliches Gemurmel bei Ross an, und er begann zu glauben, dass das auch so bleiben würde. Doch dann schreckte ihn ein überraschter Ruf des Mädchens auf, der erst in ein leises Lachen und dann in einen langgezogenen Seufzer überging. Danach war es wieder still. Ross spielte mit dem Gedanken, sich im Bad einzuschließen; er wollte nicht mitbekommen, wie andere Menschen Sex hatten. Die Zeit und das Schweigen dehnten sich, bis das Mädchen wieder seufzte, erst einmal und dann mehrmals hintereinander. Nach einer Pause sagte sie atemlos etwas auf Französisch und wiederholte es ein paarmal, ehe sie zu keuchen und zu schnaufen begann. Ross war kurz davor, sich die Hände auf die Ohren zu legen, da schrie sie, aber nicht sehr laut und nicht lange; es klang irgendwie triumphierend.
Es dauerte einige Minuten, bevor nebenan wieder gesprochen wurde. Die leise Unterhaltung war von vielsagenden Pausen unterbrochen. Das Bett knackte, die Geräusche von Bewegungen in Laken und Kissen wurden nach und nach immer heftiger und schließlich rhythmisch. Ross stand auf, ging leise zum Fenster und sah in der Hoffnung auf Ablenkung hinaus, aber es gab in der Dämmerung nichts zu sehen. Hinter den Türen nahm der Galopp der Leiber geräuschvoll seinen Lauf und wollte nicht enden. Ross kapitulierte nach einer kurzen Anstrengung und gab den Versuch auf, den leidenschaftlichen Aufruhr im
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