Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)
noch nackt war.
»Die Tür klemmt«, sagte sie über das Telefon, aber im selben Moment knackte es laut, und die Flügel rollten polternd auseinander. Das Hotel hatte tatsächlich einen Bademantel in ihrer Größe aufgetrieben, ein riesiges Teil aus dickem, weißem Plüsch. Sie warf Ross von der Tür aus Zigaretten und Streichhölzer zu und sagte: »Ich werde auch noch eine Zigarette rauchen, Walter, warten Sie auf mich. Ich dusche schnell.«
Die Tür rumpelte, und sie war weg. Ross rollte nacheinander fünf Zigaretten zwischen den Händen, um die Füllung zu lockern, und klopfte und stocherte den Tabak dann aus den Hülsen. Auf einem Blatt Hotelschreibpapier mischte er ihn mit den klebrigen Krümeln des Marihuana. Dann füllte er die Mischung mit einem zur Rinne gefalteten Stückchen Papier in die Hülsen und verdichtete sie mit einem Streichholz und indem er die Filter auf die Tischplatte stieß. Den letzten halben Zentimeter jeder Hülse ließ er leer und zwirbelte ihn zu einem kleinen Schwänzchen zusammen.
Den fünften Joint zündete er gleich an. Der erste Zug machte ihn schwindelig; er hatte schon lange keinen Tabak mehr geraucht und vielleicht zu viel davon mit dem Gras gemischt. Er hatte auch schon lange kein Gras mehr geraucht. Ross zog, inhalierte und hielt die Luft an. Okay. Jetzt roch und schmeckte der Rauch, wie er ihn in Erinnerung hatte. Okay. Noch etwas, das ich öfter tun sollte, dachte er. Gleich würde die Wirkung einsetzen.
Die Tür rumpelte wieder, und das Mädchen war zurück, immer noch in ihrem Super-XL-Bademantel. Ihre Flipflops machten p’lit-p’lat. Sie brachte die Gerüche von teurer Seife und Körperpuder mit. In der Mitte des Raumes ließ sie achtlos das Handtuch fallen, mit dem sie ihr feuchtes Haar gerubbelt hatte, und sah sich um. Sie hatte wieder ihre echten Augen.
»Brennt hier irgendwas?«
Ross hielt ihr den glimmenden Joint hin. Sie setzte sich ihm gegenüber auf die Bettkante. »Was ist das? Haschisch?«
»Fast. Marihuana.«
»Riecht gut. Was tut es?«
»Probieren Sie, wenn Sie wollen.«
»Wie macht man das?«
»Ziehen, inhalieren, Luft anhalten, solange Sie können. Und senkrecht halten, sonst fällt die Glut ab.«
Sie nahm den Joint und tat ohne zu zögern, was er gesagt hatte. Ross zündete sich einen anderen an. Nach ein paar Sekunden atmete sie hustend aus. »Und? Werde ich jetzt süchtig?«
»Nein. Das Schlimmste, was Ihnen passiert, ist, dass Sie einen trockenen Mund kriegen.«
Die Glut der Joints knisterte leise. Beide hielten sie die Luft an.
»Ich merke nichts«, sagte das Mädchen nach einer Weile. Alle sagen das beim ersten Mal. »Was müsste ich fühlen?«
»Ich weiß nicht. Ist bei jedem ein bisschen anders.«
»Wie ist es bei Ihnen?«
»Es beruhigt mich. Ich nehme Töne und Farben intensiver wahr. Wenn wir Musik hätten, würde ich Musik hören. Es gibt Filme, die man sich am besten nur bekifft ansieht.«
»Das ist alles? Farben, Musik?«
»Manchmal meint man, den tieferen Sinn oder eine verborgene Bedeutung in dem zu erkennen, was man hört oder sieht. Oder man findet irgendwas Banales auf einmal rasend komisch oder tieftraurig.«
»Traurig auch?«
»Kommt auf die persönliche Grundstimmung an.«
»Aha, die persönliche Grundstimmung.« Sie nahm einen Zug.
»Ja. Es gibt auch Leute, die werden redselig. Und welche, die kriegen einen Heißhunger.«
»Oh, das bin ich!« Sie kicherte. »Im Ernst, ich habe einen Mörderhunger. Ich habe nichts gegessen, bevor wir gestern ausgegangen sind, damit mein Bauch nicht so vorsteht. Ich könnte … Oh, Walter, rufen Sie den Zimmerservice!«
»Es ist noch zu früh.«
»Frühstück«, sagte sie sehnsüchtig, »Orangensaft, Kaffee, Toast, Rührei, Croissants mit Butter und Marmelade! Und Sie?«
»Frittiertes Bohnenpüree und ein Spiegelei.«
»Was? Wirklich? Schwarze Bohnen? Ihre Frau ist aus Mexico, nicht wahr?«
»El Salvador.«
»Ich wette, ihr Vorname fängt auch mit María an.«
»María Lourdes«, sagte Ross widerwillig. »Lo-ur-des. So haben sie das ausgesprochen. Ich habe leider nie gefragt, was der Name bedeutet.«
»Das ist so ein Wallfahrtsort hier in Frankreich. Carmen kommt auch von einem Ort, einem Berg im Heiligen Land. Glaube ich. Und Guadalupe das ist irgendwo in Mexico. Finden Sie nicht auch, dass es in Lateinamerika die abgefahrensten Vornamen für Frauen gibt? Meine Mutter heißt Asunción, Himmelfahrt. Es gibt Dolores, Schmerzen; Inmaculada, die Unbefleckte; Rosario,
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