Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)
Malariatabletten und Alkohol ruiniert. Er trug ein kurzärmeliges, weißes Hemd und eine dunkelblaue Krawatte, wie die Missionare mancher Sekten, die von Tür zu Tür gehen. Seine Arme waren sehnig und voller Sommersprossen, seine Hände, die er vor sich auf dem Tisch verschränkte, groß und hart. Die Hände und die schlauen, mitleidlosen Augen hinter der Brille gaben Ross eine Ahnung davon, was ihm passieren würde, wenn er Schwierigkeiten machte.
»Ich sehe, Sie haben sich gut erholt.«
Der Mann sprach leise. Sein Englisch war fehlerfrei und sein Akzent erträglich.
»Wissen Sie, das Gas, mit dem wir Sie betäubt haben, wird nach Körpergewicht dosiert. Weil wir die junge Dame zuverlässig einschläfern wollten, haben wir Ihnen eine etwas großzügige Dosis zugemutet.«
»Wie geht es dem Mädchen?«
»Gut.«
»Ich will sie sehen.«
»Nein.«
»Wer sind Sie? Wo sind wir hier?«
»Keine Fragen mehr, Monsieur Ross.«
»Ich will einen Anwalt. Ich will mit unserer Botschaft sprechen. Wir sind amerikanische Staatsbürger.«
»Ich weiß.«
Die beiden Männer sahen sich über den Tisch hinweg an.
»Sie sind hier, weil Sie hier sind«, sagte der Mann mit der Brille, »und wir werden uns ein wenig unterhalten. Ich spreche mit Ihnen, weil es meine Aufgabe ist, und Sie sprechen mit mir, weil Sie mein Gefangener sind. Auch wenn unsere Unterhaltung unerfreulich wird oder unangenehme Folgen hat, können wir sie nicht vermeiden. Trotzdem, oder gerade deshalb, würde ich mich freuen, wenn wir sie zivilisiert und respektvoll führen könnten.«
Ross sagte: »Ich mich auch.«
»Bon. Ich bin es, offen gesagt, müde, immer wieder Leuten mit schlechten Umgangsformen gegenüberzusitzen, noch dazu, wenn sie feindselig sind oder vor Angst stinken. Ich verliere dann leicht die Geduld …« Er knetete seine Hände. »Es heißt, der Mensch würde mit zunehmendem Alter duldsamer. Bei mir ist das wohl nicht der Fall. Ich bedaure das, aber … nun, wie dem auch sei. Wir werden uns also unterhalten, und vielleicht stelle ich Ihnen dabei ein paar Fragen. Sie werden sicher einsehen, dass ich alle Ihre Antworten für Lügen halte. Das darf Sie aber nicht davon abhalten, immer unbedingt die Wahrheit zu sagen, denn wo wir es für notwendig halten, werden wir Ihre Antworten überprüfen. Und wenn wir keine Möglichkeit haben, Ihre Angaben zu verifizieren, bringen wir Sie dazu, dass Sie das selbst tun. Sie verstehen?«
Ross fühlte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. »Sie werden mich foltern?«
»Ein hässliches Wort für eine hässliche Sache. Wir tun das nicht leichtfertig, Monsieur Ross. Und nicht mit jedem. Sie zum Beispiel würden unter Schmerzen irgendetwas zusammenfantasieren, von dem Sie meinen, dass es uns zufriedenstellt. Es gibt Leute, die schaffen es, auszuweichen. Statt auf Fragen einzugehen, sagen sie mechanisch Verse auf. Meistens aus dem Koran. Vor einigen Jahren noch hätte ich geschworen, dass das nicht möglich ist, aber in letzter Zeit habe ich es tatsächlich mehrmals erlebt. Sie sehen also, Schmerzen sind ein unzuverlässiges Instrument zur Erforschung der Wahrheit. Trotzdem wenden wir es gelegentlich an. Vielleicht haben Sie gelesen, was Graham Greene über Folter geschrieben hat?«
Ross wusste gar nicht, dass Graham Greene auch schrieb.
»Nicht? Macht nichts. Sehen Sie, wir haben hier oft Menschen, Fremde, die es aus ihren Heimatländern gewohnt sind, von der Staatsmacht schlecht behandelt zu werden. Sie erwarten es geradezu. Es ist Teil ihrer Kultur. Wir enttäuschen sie, wenn wir höflich und großzügig mit ihnen umgehen, ihnen ihre Rechte erklären und diese auch noch achten, ihnen einen Anwalt besorgen, einen Arzt, einen Dolmetscher, alles unentgeltlich. Sie halten das für Schwäche, sie verachten uns dafür, und natürlich arbeiten sie dann auch nicht mit uns zusammen. Solche Leute fassen wir hart an – nicht, um Informationen zu gewinnen, sondern um uns Respekt zu verschaffen. Die, die wir hier in Behandlung hatten, die spucken nie mehr vor einem Polizisten aus. Langweile ich Sie, Monsieur Ross?«
»Absolut nicht.«
»Das freut mich. Ich muss gestehen, dass ich zur Geschwätzigkeit neige, wenn ich mal einen Gesprächspartner habe. Mein Job bringt es leider mit sich, dass ich außerhalb meines Dienstes nicht über ihn sprechen darf. Und meine Mitarbeiter sind junge Männer mit recht beschränktem Horizont. Es geschieht also nicht oft, dass ich ungezwungen reden kann. Aber wenn ich die
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