Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
welches bei Phine auf dem Arm schlummerte und nun ein armes Waisenkind war.
Feodor dachte an Philip. Ihn würde Jar’janas Tod hart treffen. Phine hatte recht. Die schwärmende Verliebtheit seines Ältesten war nicht zu übersehen gewesen. Feodor konnte das gut verstehen, denn auch ihn hatte die Elbin mit ihrer Schönheit verwirrt.
Gleich nach der Beerdigung machte er sich auf den Weg in die Schmiede. Die harte Arbeit würde ihm guttun und ihn von seinen trüben Gedanken ablenken. Gleichzeitig verfluchte er seine Arbeit, denn sie hielt ihn davon ab, das zu tun, was seinem Herzen am dringendsten erschien – Philip zu suchen und nach Hause zu holen.
»Er lebt«, murmelte er vor sich hin, »und wenn er zurückkommen kann, dann wird er es tun.« Aber was, wenn Philip irgendwo verletzt lag und niemand ihm half? Wüsste Phine das auch? Wie eine eiskalte Hand umklammerte dieser Gedanke Feodors Herz.
Wenn Phine Philips Tod spürte, wäre bereits alles zu spät.
Nur zögernd näherte er sich der Schmiede. An der Tür blieb er stehen und beobachtete seinen Gehilfen Ruben, der schon seit Stunden arbeitete. Der Schweiß floss zwischen seinen Schulterblättern nach unten und erzeugte einen nassen Fleck auf den weiten, zerschlissenen Beinkleidern.
Feodor hatte ihn nach der Einberufung unter seine Fittiche genommen und als seinen Gesellen ausgegeben, damit Ruben nicht der Armee des Königs beitreten musste und sich auch weiterhin um seine alte Mutter kümmern konnte. Er war kein sonderlich begabter Gehilfe, aber er war fleißig und zum Reparieren von Werkzeug und Herstellen von Pfeilspitzen reichte sein Geschick. Feodor sah ihm noch eine Weile zu, dann machte er auf dem Absatz kehrt. Seine Entscheidung war getroffen.
Gebeugt und mit schlechtem Gewissen ging er durch das Tor. Sein Wanderstab war ihm Stütze und Last zugleich. Er starrte auf seine Schuhe, die den Staub der Straße aufwirbelten, als ihm plötzlich jemand den Weg versperrte.
»Was habt Ihr mit der Elbin gemacht?« Die Stimme war barsch, trotzdem hatte sie einen melodischen Klang.
Feodor blieb erschrocken stehen. Vor ihm stand ein junger Mann, schlank wie eine Birke, aber mit einem düsteren Ausdruck in dem schmalen Gesicht.
»Wir haben sie beerdigt«, antwortete er und umklammerte seinen Wanderstab so, dass er, wenn es nötig war, sofort damit zuschlagen konnte.
Was wollte der Junge (denn viel mehr war er nicht), der sich ihm hier in den Weg stellte. Seine Kleidung sah aus, als hätte er sie von einem längst verstorbenen Großvater geerbt. Außerdem war sie zu weit und zu kurz. Trotzdem wirkte er nicht wie ein ärmlicher Knabe. Der Ausdruck seiner Augen deutete darauf hin, dass er deutlich älter sein musste, als es der erste Eindruck vermuten ließ.
Elbe oder Mensch?
Da der andere sich nicht bewegte und auch nichts sagte, beschloss Feodor den ersten Schritt zu machen. Er nahm den Stab in die Linke, und streckte die Rechte seinem Gegenüber entgegen.
»Ich bin Feodor Gordinian, der Schmied«, sagte er.
»Leron’das en Albara’n Plop«, antwortete der andere und nahm vorsichtig Feodors Hand. »Was ist geschehen?«, fragte er, seine Stimme klang jetzt freundlicher.
»Gehen wir ein Stück«, sagte Feodor.
Das Gespräch kam nur stockend in Gang. Feodor wählte seine Worte sehr vorsichtig, und erst, als auch Leron’das begann, über seine Beweggründe zu sprechen, entwickelte sich langsam eine Art Vertrauen zwischen ihnen. Als Feodor schließlich alles, was in den letzten Tagen geschehen war, erzählt hatte, verfiel Leron’das in Schweigen.
Stumm setzten sie ihren Weg fort. Schließlich blieb der Elbe stehen und sah Feodor aus seinen tiefen, dunklen Augen an.
»Ich will sie sehen«, sagte er.
»Das geht nicht mehr, sie ist beerdigt«, antwortete Feodor.
»Nicht Jar’jana. Lume’tai. Ich habe noch nie ein Elbenkind gesehen.«
Feodor zögerte. Der Vorbote eines tiefen Schmerzes machte sich in seiner Brust breit.
»Natürlich …«, antwortete er gepresst. Genau das war doch der Plan gewesen, dafür war Philip in den Wald gegangen. Lume’tai sollte zurück zu ihrer Familie gelangen. Doch jetzt, wo dieser Moment offensichtlich bevorstand, merkte er, dass er dies gar nicht wollte. Lume’tai war so sehr ein Teil seiner Familie geworden, wie es jedes andere seiner Kinder war, und keines von ihnen hätte er einfach so hergegeben.
»Kehren wir um«, sagte er. »Ich zeige sie dir.« Bekümmert dachte er an Phine, die das Kind kaum noch aus den
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