Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
unsere Freunde. Die Opfer, die wir und sie in diesem Krieg gebracht haben, wiegen schwer. Ich bin nicht bereit, meine Eltern und Geschwister zu verraten, die ihr Leben für dieses Land geopfert haben.« Mit seinen Worten hatte er Ala’na aus der Seele gesprochen, und sie war in heftiger Liebe zu ihm entbrannt. Eine Liebe, die heute nach zehn Jahrhunderten immer noch glühte.
Jetzt stand Ala’na vor ihrem Haus. Sie war so überwältigt von ihren Gedanken und der Erinnerung an den Anfang ihrer großen Liebe, dass sie nun ihre Schritte beschleunigte, um schneller bei Rond’taro zu sein. Beinahe musste sie über sich selber lachen, denn es war nun bereits das zweite Mal an diesem Tag, dass sie ihrem Mann entgegenlief.
Etwas außer Atem trat sie in das Zimmer, in dem Rond’taro geschlafen hatte. Er stand am Fenster und drehte sich nun zu ihr um.
»Du warst in Gedanken, meine Liebe.« Er lächelte.
»Die Menschen, Rond’taro, ich verstehe sie nicht. Was tun sie hier im Wald? Ich hatte Freunde unter ihnen …«
Rond’taro strich ihr sanft mit der Hand über das Haar.
»Die Freunde, die du meinst, meine Liebe, sind seit tausend Jahren tot. Selbst Peredur, der wie ein Sohn für uns war, lebt seit siebenundneunzig Jahren nicht mehr. Er war ein alter Mann, als er starb. Ala’na, es gibt da draußen niemanden mehr, der uns kennt, und wir kennen die Menschen nicht mehr.«
Ala’na senkte den Kopf.
»Manche fehlen mir heute noch, und ich wünschte, ihre Zeit wäre nicht so kurz gewesen.« Langsam ließ sie ihre Stirn an Rond’taros Brust sinken. »Ich bin froh, dass du zurückgekehrt bist.«
Er legte seine Arme um sie, und eine Weile standen sie so da, schließlich löste sie sich von ihm und blickte ihn an.
»Der Rat«, begann sie. »Ich weiß, dass wir nichts besprechen können, ehe die Versammlung beginnt, ich will nur wissen: Waren es die Menschen, die euch in den Quellenbergen angegriffen haben?« Er sah sie an. Lange blieb sein Gesicht bewegungslos. In seinen Augen konnte Ala’na sehen, wie er sich im Stillen über ihre Neugier amüsierte. Sie wollte sich gerade abwenden, als er sagte:
»Keine Menschen. Keine Menschen, bis auf jene vor Pal’dor.«
3. Die Falkenburg
A uf dem steilen Weg, der hinauf zur Falkenburg führte, kam Agnus eine große Gruppe berittener Krieger entgegen, so dass er ausweichen musste.
Verwundert bemerkte er, dass sie die Straße verließen und auf den Wald zuritten. Müde und durstig wie er war, machte er sich jedoch darüber keine weiteren Gedanken.
Als er kurz darauf die Burg erreichte, war der Vorhof wie ausgestorben. Wachen konnte er keine entdecken. Agnus sprang aus dem Sattel und lief zu Fuß weiter, sein Pferd folgte ihm am Zügel. Auch das zweite Tor konnte er passieren, ohne dass er nach seinem Anliegen gefragt wurde. Er schritt durch das gewaltige Torhaus in die Vorburg und stand plötzlich mitten in dem größten Chaos, das er sich vorstellen konnte.
Während er versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen, stieß er mit einem Knecht zusammen, der halb unter einem schweren Sack begraben war. Die unfreundlichen Worte, die dieser hervorstieß, wurden von dem Sack verschluckt.
Agnus sprach den nächsten schwerbeladenen Mann an, doch dieser lief einfach weiter, ohne ihn zu beachten. Er versuchte es noch ein paarmal, aber entweder ließ man ihn einfach stehen oder aber er wurde böse angeknurrt.
Es war schon viele Jahre her, dass er zum letzten Mal in der Königsburg gewesen war. Damals noch in Begleitung seines Vaters. Er erinnerte sich, dass es irgendwo einen Brunnen gab. Den musste er finden. Dann würde er sich irgendwo in den Schatten setzen und darauf warten, dass jemandem auffiel, dass er nicht hierhergehörte.
Ganz knapp gelang es ihm, einem weiteren sackbeladenen Mann aus dem Weg zu gehen. Was war hier los? Da gab es Männer, die Säcke quer über den Burghof trugen und in einer Ecke aufschichteten, und andere, die sie von dort quer über den Burghof wieder wegtrugen.
Agnus dachte an seine Burg im Wildmoortal , wo er jeden kannte, der dort ein und aus ging, und ein grimmiges Grinsen trat in sein vernarbtes Gesicht.
Hinter dem nächsten Tor entdeckte er den Brunnen.
»Komm Lisia«, brummte er seiner Stute zu, und sie folgte ihm mit hängendem Kopf. Lisia war mutig und zäh, schnell wie der Wind, wenn es sein musste, und stark wie ein Bär, doch die weite Reise hatte sie erschöpft.
Auch an dem dritten Tor, das in den innersten Bereich der Burg
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