Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
Philip fühlte sich, als hätte er alle seine Wunden erneut aufgerissen, aber er hatte den Druck von ihnen genommen und seine Tränen hatten sie gereinigt. Etwas ganz Ähnliches hatte Leron’das mit den Verletzungen an seinem Bein und an seiner Hand gemacht. Frisches Blut war aus ihnen gequollen, aber auch ihnen war der Druck genommen worden. Am deutlichsten spürte Philip dies an seinem Bein. Nun fühlte es sich wieder an wie ein echtes Bein. Ein verletztes zwar, aber ein echtes.
»An deinem Schicksal trage ich mit Schuld«, erklärte Leron’das geknickt. »Wir merkten, dass jemand an den Toren rüttelte, aber da wir erst wenige Tage davor von Menschen angegriffen worden waren und eine Schar Gnome bis vor das Tor der Dämmerung vorgedrungen ist, verstärkten wir die Tore.« Er seufzte. »Es war mein Vorschlag.«
Philip zuckte mit den Schultern. »Es war von Anfang an unwahrscheinlich, dass wir einen Weg finden. Keinem Menschen ist es je gelungen. Aber jetzt steht ein Zauberer vor der Stadt. Es war also bestimmt kein Fehler, vorsichtig zu sein.«
»Ein Mensch, der Zeit seines Lebens unser Freund war, ist dadurch gestorben«, erwiderte Leron’das traurig.
»Er stellte sich schützend vor mich, um ein Geheimnis zu wahren.« Philip spürte deutlich die kühlen Ringe des Kettenhemdes auf seiner Brust. Er öffnete sein Hemd ein Stück weit am Kragen und zeigte Leron’das, was darunter verborgen lag.
»Elben haben es gemacht«, sagte er. Leron’das sah ihn staunend an.
»Es … es kommt aus meinem Haus«, stammelte er überrascht und fuhr mit dem Finger die Verzierung am Hals nach. Er zog den Anhänger hervor, den er schon sein ganzes Leben um den Hals trug.
»Efeu, genau wie die Verzierung auf dem Hemd«, stellte Philip fest. Leron’das zog die Stirn in Falten und schüttelte energisch den Kopf.
»In der Au des Plop’riu stehen sie, majestätisch und groß. Ihre silbernen Stämme sind gewaltig. Der kleinste Windhauch bringt ihre Blätter zum Glitzern. Die meisten Blätter sind viel runder als dieses hier, aber an den Spitzen der Äste haben sie genau diese Form.« Er deutete auf das Blatt an seinem Hals. »Es ist das Blatt einer Silberpappel«, sagte er feierlich. »Es ist der Schutzbaum meines Hauses, meiner Familie. Es ist ein Stück Heimat für mich. Wie kamst du zu dem Hemd?«
»Mein Vater gab es mir«, antwortete Philip. »Er sagte, es wäre ein Erbstück, mehr weiß ich nicht.«
Leron’das starrte eine Weile ins Nichts, dann sagte er: »Du musst jetzt schlafen.«
Philip nickte. Zwar hätte er gerne noch mehr über das Kettenhemd erfahren, aber er wollte seinen Retter nicht bedrängen. Er rollte sich in seine Decke und wünschte eine gute Nacht. Er musste nachdenken.
Zu viel war in den letzten Stunden geschehen. Zu viel, was ihn aufwühlte. Die Erinnerung an das große goldene Tor verblasste zwar, nicht aber die Stimme, die zu ihm gesprochen hatte. Er dachte an das, was ihm Leron’das über Mutter erzählt hatte. Als ob es nicht schon verwirrend genug wäre, einen Elben zu treffen.
Mit einem traurigen Lächeln erinnerte sich Philip an Theophils Aufregung, als er von Jar’jana erfahren hatte … Armer Theophil, arme Jar’jana …
Vorsichtig drehte sich Philip zur Seite und betrachtete den Elben, der mit geschlossenen Augen auf dem Rücken lag. Was für eine märchenhafte Begegnung. Märchenhaft und doch so real. Zweifellos wäre Philip den gleichen Weg wie sein Lehrer gegangen, wenn Leron’das ihn nicht gefunden hätte. Zum ersten Mal, seit er von zu Hause fort gegangen war, fühlte er sich geborgen. Der Schutzwall, den Leron’das errichtet hatte, gab ihm ein Gefühl der Sicherheit, und das Feuer wärmte ihn angenehm in dieser feuchten Sommernacht.
Die Sonne schien schon hell, als er am nächsten Morgen erwachte. Er war allein, aber das Feuer knisterte und ein Gefäß stand darin, dem ein süßlicher Duft entströmte. Philip richtete sich auf.
»Du bist wach, wie ich sehe«, rief Leron’das' Stimme hinter ihm.
»Das bin ich.«
»Wie geht es dir?« Der Elbe kniete neben ihm nieder. Er fasste erst an seine Stirn, dann an sein Bein.
»Mir geht’s soweit ganz gut«, sagte Philip schnell, in der Hoffnung, dass Leron’das nicht zu einem anderen Schluss kam.
»Das sehe ich, ich wollte nur wissen, wie gut es dir geht.«
Er sah sich die Wunde genau an. »Sie ist noch entzündet von dem vielen Schmutz, der in sie eingedrungen ist. Es tut mir so leid, aber es wird eine Narbe
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