Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
während der Geburt gestorben sind? Du kannst gerne darüber nachdenken, aber ich kenne die Antwort.«
»Jar’jana ist gestorben«, hielt Philip ihm vor.
»Weil sie selbst es so wollte. Jar’jana wollte nicht länger leben als ihr Geliebter Fari’jaro …« Leron’das stockte. Vor seinem geistigen Auge sah er Fari’jaros schmerzverzogenes, blutleeres Gesicht. Er spürte Trauer und Schuldgefühle, denn es war ihm nicht gelungen, ihn am Leben zu erhalten, und er hatte gewusst, dass Jar’jana ihrem Mann bald folgen würde, wenn er ihr nicht rechtzeitig seine letzten Worte überbrachte. Nun würden sie auf ewig ungesagt bleiben.
Leron’das presste die Lippen zusammen und wandte sich Philip zu. Mit bleichem Gesicht starrte dieser ins Feuer und wischte jede Träne, die sich aus seinen Augen löste, mit der flachen Hand weg. Als er jedoch merkte, dass Leron’das ihn ansah, blinzelte er und blickte trotzig zurück.
»Sie war sehr schön«, sagte er, als ob diese Worte sein Verhalten rechtfertigen würden. Leron’das konnte den Schmerz einer unerfüllten Liebe in jedem seiner Worte hören. Philip war noch ein Knabe, selbst für menschliche Verhältnisse ein halbes Kind, aber sie hatte in ihm die Gefühle eines Mannes geweckt. Es gab viele, die für Jar’jana alles gewagt hätten, aber für sie hatte es immer nur den einen gegeben.
»Wir müssen aufbrechen«, sagte Leron’das nüchtern. »Dein Esel kann dich tragen.«
»Wohin gehen wir?«, fragte Philipp, offensichtlich froh, wieder ein unverfängliches Gesprächsthema zu haben.
»Zum Ufer des Fils. Ich will uns einen Sicheren Ort schaffen, aber dafür brauche ich die Hilfe von bestimmten Bäumen.«
»Theophil hat gesagt, ich soll nach Saulegg gehen und dort nach Elomer suchen. Weißt du, wie weit wir davon noch entfernt sind?«, fragte Philip.
»Saulegg«, Leron’das überlegte. »Einen, höchstens zwei Tage schätze ich. Aber du musst erst gesund werden. Ich habe deiner Mutter versprochen, für deine Sicherheit zu sorgen.« Mit einigen schnellen, gezielten Handgriffen packte er alles zusammen.
Der Esel kam angetrabt und schubste Philip in die Seite.
»Du bist eine wirklich treue Seele, Lu«, flüsterte er und streichelte zärtlich seinen Kopf.
»Er hätte mich um ein Haar aufgefressen, als ich dich gefunden habe«, sagte Leron’das lachend. Philip grinste zurück.
Es war eine seltsame Situation, in der er sich befand. Er reiste in der Gesellschaft eines Elben, der ihn umsorgte wie eine Amme. Das Fieber war fast vollständig abgeklungen, das Bein war nicht mehr angeschwollen, nur die Wunde pochte und brannte noch. Nach einer Stunde auf dem Esel fühlte er sich allerdings immer matter, und als sie endlich den Fluss erreicht hatten, war Philip völlig erschöpft. Leron’das breitete ihm eine Decke unter einer Korbweide aus und half ihm, sich zu setzen. Dann begann er zwischen den drei größten Bäumen hin und her zu gehen und unverständliche Worte zu murmeln. Seine Hände bewegten sich dabei so, als würde er lange Taue miteinander verknoten. Schließlich prüfte er sein unsichtbares Werk und setzte sich neben Philip, wo er sogleich ein kleines Feuer entfachte. Er wickelte Philips Bein aus dem Verband und betrachtete es kritisch. Philip versuchte den Schmerz zu unterdrücken, der schon seit einiger Zeit sein Bein hochkletterte.
»Ich verstehe das nicht. Du bist doch ein Mensch? Hast du elbische Vorfahren?«, fragte Leron’das.
»Nicht, das ich wüsste«, antwortete Philip. »Wieso?«
»Keine Klinge eines Zauberers kann so etwas bei einem Menschen verursachen.« Leron’das begann wieder, Kräuter zu kochen und Umschläge zu machen.
»Wie wurdest du verletzt?«, fragte er.
Philip erzählte ihm die ganze Geschichte, und Leron’das lauschte aufmerksam. Als Philip davon berichtete, wie er bei dem Versuch, sich zu verstecken, über die Klinge gestolpert war, unterbrach ihn Leron’das zum ersten Mal.
»Drei Verletzungen von der gleichen Klinge!« Es war keine Frage, sondern eher ein überraschter Ausruf. »Das würde einiges erklären.« Er untersuchte den Kratzer am Unterschenkel und den feinen Schnitt an Philips Finger, während dieser weitererzählte.
Das Reden befreite seine Seele von der Last, die ihn in den vergangenen Tagen beinahe erdrückt hatte. Leron’das unterbrach ihn nicht, und obwohl er die ganze Zeit über beschäftigt war, wusste Philip sicher, dass er ihm aufmerksam zuhörte. Als er fertig war, blieb es lange Zeit still.
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