Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
prüfend zum Himmel. »Wir sollten jetzt schlafen. Morgen wird ein anstrengender Tag, denn ich möchte so weit wie nur möglich von diesem verwunschenen Ort Saulegg entfernt sein, ehe sich unsere Wege trennen.«
Lange lag Philip noch wach und starrte zwischen den flirrenden Blättern hinauf in den sternenklaren Nachthimmel, ehe der Schlaf sich an ihn heranschlich und ihn in seine Tiefen hinabzog.
Die Sonne war nur ein glühender Fleck hinter einem zerwühlten Wolkenlaken, als sie am nächsten Morgen ihr Lager abbrachen. Leron’das kramte in seinem Rucksack und reichte Philip eine seiner dünnen Decken.
»Sie wird euch Schutz vor Nässe und ungebetenen Blicken bieten«, sagte er, dann brachen sie auf.
Im Laufe des Vormittags begann es zu regnen. Auf den Bergkuppen verschwanden die Wipfel der Bäume in den grauen Schlieren der tiefhängenden Wolken.
Das Wetter passte zu der Beklemmung, die in Anbetracht des nahenden Abschieds von Leron’das immer bedrohlicher wurde. Walter hatte bisher nicht mit herausragenden Waldläuferfähigkeiten bestochen, und Philip wusste selbst, dass es auch um seine nicht zum Besten stand. Aber das war nicht seine Hauptsorge. Abschiednehmen war in letzter Zeit zur schmerzlichen Gewohnheit geworden, und auch wenn Leron’das versichert hatte, dass sie sich wiedersehen würden, so zogen sie doch einem ungewissen Schicksal entgegen, mit nichts als einem abenteuerlichen Plan im Gepäck.
Leron’das ging ein Stück voraus. Auf einer Hügelkuppe blieb er stehen, um zum wiederholten Mal den Himmel zu prüfen. Plötzlich kam er ihnen mit raschen Schritten entgegen und machte ihnen ein Zeichen, unter den Bäumen zu bleiben.
Das Pferd scheute, als Leron’das ihm eine seiner Decken überwarf und sich gemeinsam mit Philip und Walter darunterdrängte.
»Was ist los?«, keuchte Walter, als er das Tier so weit beruhigt hatte.
»Nebelkrähen«, erwiderte Leron’das. »Sie fliegen in Schwärmen, sie suchen etwas.«
»Uns?«, fragte Philip. Obwohl es ihm völlig abwegig erschien, dass Vögel nach ihnen Ausschau halten konnten, blieb das beklemmende Gefühl, dass dem möglicherweise doch so war. Leron’das zuckte mit den Schultern.
»Nebelkrähen sind die Boten der Zauberer, und es ist besser, sie sehen manches nicht.«
Walter brummte unwirsch: »Krähen hat es immer schon gegeben.
»Doch heute fliegen sie in Schwärmen, was …« Er verstummte, denn das Krächzen wurde lauter, und dann flog der Schwarm über die Lichtung hinweg. »… zu dieser Jahreszeit sehr ungewöhnlich ist«, beendete er seinen Satz. »Außerdem sagte ich Nebelkrähen. Die Krähen, die in diesem Teil des Landes leben, sind hauptsächlich Saatkrähen.«
»Gibt es da einen Unterschied?« Walter versuchte, durch einen verächtlichen Ton sein Unwissen herunterzuspielen.
»Ihr werdet ihn kaum erkennen«, erwiderte Leron’das. »Hinzu kommt, dass Krähen gesellige Wesen sind, da kann es durchaus vorkommen, dass beide Gattungen in einem Schwarm vertreten sind.«
Philip hatte keine große Lust, sich eine Abhandlung über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Saat- und Nebelkrähen anzuhören. Dafür gab es Fragen, die ihm im Moment wichtiger erschienen.
»Glaubst du, sie haben die Leichen im Pfarrhaus gefunden?«
»Möglich wäre es«, antwortete Leron’das. »Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Vögel ausgesandt wurden, weil alle anderen eure Spuren verloren haben.«
»Ganz schön hartnäckig dafür, dass ich ursprünglich nur die Reisetasche eines alten Mannes entwendet hatte«, brummte Walter.
»Er war nicht irgendein alter Mann«, behauptete Philip. »Er gehörte einer Verbindung an, die altes Wissen über die Elben bewahrt. Dieses Wissen ist für den König und die Zauberer von unschätzbarem Wert.«
»Ich will mein altes Leben zurück«, murmelte Walter verdrossen.
»Wer nicht«, seufzte Philip.
Als sie schließlich ihren Weg fortsetzten, achteten sie darauf, im Schatten der Bäume zu bleiben. Dafür mussten sie so manchen Umweg in Kauf nehmen und erreichten die Straße erst, als der Abend dämmerte.
»Hier trennen sich unsere Wege.« Leron’das' Miene war ernst, besorgt und nachdenklich. Walter reichte ihm die Hand.
»Es war mir eine Freude, dich kennengelernt zu haben, und ich hoffe, wir werden uns eines Tages wiedersehen.«
»An einem glücklicheren Ort, zu einer friedlicheren Zeit«, antwortete Leron’das. Dann sah er Philip an. Dieser hielt seinen Kopf gesenkt, die dunklen Haare fielen ihm ins
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