Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
Schweißtropfen.
Im Laufe des Nachmittags gelang es Philip, einen Soldaten dazu zu bewegen, Theophil ein wenig Wasser zu geben.
Der Pfeil steckte nach wie vor in der Wunde. Das gefiederte Ende vibrierte bei jedem Atemzug.
Der Zauberer Dosdravan ging im Lager auf und ab und murmelte Beschwörungsformeln. Philip hoffte, dass er nicht die Macht besaß, die Magie eines Tores zu sprengen. Dann wieder malte er sich aus, dass die Elben sich einem Kampf stellen würden. Sie würden Theophil helfen, und Philip könnte ihnen von Jar’jana erzählen.
Der Schmerz in seinem Bein benebelte seinen Geist. Zeitweise fiel er in einen unruhigen Schlaf, aus dem er immer wieder schmerzgeplagt erwachte.
Für den König war ein großes Zelt aufgebaut worden, das etwas abseits auf einer Lichtung stand, aber durch seine aggressive Farbe kaum zu übersehen war. Dosdravan schlich zwischen den Bäumen umher und wurde immer gereizter, wenn er auf ein Hindernis stieß. Es war bereits nach Mitternacht, als Philip erneut aufwachte. Die Stimmen, die ihn geweckt hatten, waren nicht laut, aber der frostige Ton, in dem sie miteinander redeten, durchschnitt die Nacht wie ein Messer.
»… zieht die Soldaten zurück … sie stören meinen Ring der Macht«, schnarrte die Stimme des Zauberers.
»Unfähigkeit ist keine Entschuldigung. Ihr sagtet, Ihr hättet ihre Sperren bereits einmal durchbrochen …«, konterte klirrend der König.
»Da hatte ich fähige Helfer, nicht diese Taugenichtse«, zischte der Zauberer.
»Das ist alles, was ich Euch gewähren werde. In meinem Land!«
Das Gespräch verstummte. Philip sah zu Theophil hinüber, der röchelnd atmete.
»Wie geht es Euch?«, flüsterte Philip besorgt.
»Ich werde sterben«, antwortete Theophil. »Du musst fliehen, nutze die Gelegenheit so bald wie möglich.«
»Aber ich kann Euch doch nicht,…«, stammelte Philip.
»Sorge dich nicht um mich … ich sterbe,… ich sterbe bald.« Tränen stiegen in Philip hoch und kullerten ihm über die Wange.
»Philip!« Die Stimme des Lehrers brach, aber dann sammelte er sich und setzte erneut an.
»Etwa eine Meile nördlich von hier fließt ein Bach, folge ihm aus dem Wald hinaus. Er bringt dich nach Lurdrop.« Ein paarmal atmete Theophil pfeifend und röchelnd. »An der Schweinewiese steigst du aus dem Bach. Im Haus meiner Cousine Mathilda findest du Schutz für einige Tage. Danach gehst du weiter nach Saulegg zu Elomer.« Theophil hustete, und es dauerte eine ganze Weile, ehe er wieder sprechen konnte. »Halte dich von der Straße fern.«
»Welche Straße?«, fragte Philip.
»Nach Markt Krontal«, ächzte Theophil. »Halte dich von ihr fern …«
»Theophil? Ich kann nicht fliehen. Meine Fesseln sind so fest, ich spüre meine Hände kaum noch.«
»In meinem Stiefel steckt ein Messer«, keuchte Theophil.
»Ich kann Euch doch hier nicht zurücklassen«, flüsterte Philip.
»Du musst! Finde Elomer. Er ist ein Schlüsselwahrer. Er wird wissen, was zu tun ist.« Theophil hustete und spuckte Blut.
»Aber …« Philip fühlte hilflose Verzweiflung in sich aufsteigen. Sie schnürte seine Kehle zu. Sein Herz hämmerte schwer. Theophil wandte ihm den Kopf zu. Philip sah das Weiße in seinen Augen blitzen. Er spürte den Blick seines Lehrers durch die Dunkelheit hindurch.
»Hör zu«, keuchte er. »Ich hatte ein langes, schönes Leben … Aber ich sterbe.« Sein Atem pfiff leise. »Was auch immer der König oder der Zauberer über mich herausfindet, es wird niemanden geben, dem sie schaden können … nur dir.« Er schloss kurz die Augen. »Es war mir nicht beschieden, einen Sohn zu haben. Dich zu schützen ist die Aufgabe meines Lebens.« Ein heftiges Husten erschütterte Theophils Körper, und es dauerte eine ganze Weile, ehe er weitersprechen konnte. »Wenn sie dir etwas antun, war mein Leben sinnlos. Du musst leben. Flieh, solange es noch dunkel ist. Der Wald wird dich beschützen.« Unter größter Anstrengung drehte sich Theophil um. Er winkelte die Beine so an, dass Philip, wenn er sich aufsetzte, die Stiefel des Lehrers erreichen konnte. Mit tauben Fingern und tränenblinden Augen zog er das Messer aus dem Stiefel, klemmte es zwischen seine Knie und durchtrennte die Stricke an seinen Handgelenken. Niemand schien ihn zu beobachten. An den Feuern saßen ein paar Männer, die zur Wache eingeteilt waren. Am anderen Ende des Lagers streifte der Zauberer umher. Schnell durchtrennte Philip nun auch seine Fußfesseln und legte sich noch einmal neben
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