Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
ich.« Philip stieg abwärts. »Bist du Eglte?« Ein Rauschen in den Ästen war die einzige Antwort. Philip war verwirrt, war sie’s nun, oder war sie’s nicht? Bestand die Möglichkeit, doch noch einen Weg nach Pal’dor zu finden?
»Kannst du mir den Weg nach Pal’dor zeigen?«, fragte er den Baum. »Es ist wichtig! Ich kenne Jar’jana und ihr Kind, sie brauchen Hilfe!« Und auch ich brauche Hilfe, dachte er bei sich, doch der Baum antwortete nicht.
Als er von dem letzten Ast aus auf den Boden sprang, spürte er kurz einen Stich in seiner Ferse. Erst jetzt merkte er, dass er auf dem Baum keine Schmerzen gehabt hatte.
»Leb wohl Philip«, flüsterte die Eiche.
»Leb wohl«, flüsterte Philip und rannte in den dunklen Wald. Fort von dem Lager, fort von den Soldaten, die ihn suchten. Fort von dem Zauberer. Fort von der letzten Hoffnung, Pal’dor zu finden. Fort von seinem alten Leben.
12. Abschied
H artmut war gerade dabei, die Würzmischung für die vom König geforderte Bratwurst abzuwiegen, als es an der Tür hämmerte. Konzentriert beobachtete er, wie das Zünglein der Waage sich auspendelte und schließlich in der Mitte stehen blieb. Der König war heikel. Es kam selten vor, dass er mit dem Essen zufrieden war, aber nach dieser Wurst verlangte er mindestens zweimal pro Woche.
Als Hofmetzger konnte er es sich nicht leisten, einen Fehler zu machen.
Das Hämmern wurde heftiger und es bestand wenig Hoffnung, dass der Störenfried aufgeben würde, ehe er ihm die Tür öffnete. Fluchend wischte er sich die Finger an der Schürze ab.
»Wer da?«, polterte er und riss die Tür auf. Vor ihm stand Walter. Wer sonst konnte nicht warten, bis die Schankstube öffnete? »Ich hab zu tun, komm später wieder.«
Walter hechelte aufgeregt. »Du musst sofort mitkommen. Es geht um Leben und Tod.«
»Ja, um mein Leben, wenn die Wurst nicht so wird, wie der König sie haben will.« Hartmut hatte nicht die Absicht, sich aus der Ruhe bringen zu lassen. So wie er seinen jungen Freund kannte, baumelte bloß irgendein Kätzchen über dem Burggraben und Walter kam aufgrund seiner geringen Körperlänge nicht an es dran.
»Nein, um das von dem Lehrer aus Waldoria.«
»Theophil?«, fragte Hartmut. Der Lehrer war sein entfernter Verwandter. »Er wird sich doch nicht etwa an einer Schreibfeder gekratzt haben?«, versuchte er zu scherzen.
»Nein, du Hornochse. Er ist gerade von den Wachen des Königs auf ein Pferd gebunden in die Burg gebracht worden. Ein Pfeil steckt in seiner Brust.«
»Du machst Witze«, brummte Hartmut, obwohl er wusste, dass selbst Walter mit so etwas nicht spaßen würde.
»Ach ja …« Walter sah ihn wütend an. »Dann komm doch mit und überzeug dich selbst.« Damit drehte er sich um und stapfte in Richtung Tür, wohl wissend, dass der Freund ihm folgen würde.
»Hast du ’ne Ahnung, was geschehen ist?«, fragte Hartmut.
»Keine Ahnung. Der König ist gestern in den Wald geritten, und als er heute wiederkam, hatte er den Lehrer im Gepäck.«
»Der König ist in den Wald geritten?«
»Du weißt wirklich gar nichts!«, stellte Walter fest. »Erzählt man sich so was nicht in deiner Spelunke?«
»Gestern war Sonntag, da hab ich normalerweise zu. Das solltest du doch wissen!«, verteidigte sich Hartmut. Walter schüttelte über so viel Unwissenheit den Kopf.
»Gestern Vormittag ist der König mit diesem Herrn Dosdravan und jeder Menge Soldaten in den Alten Wald geritten. Wegen der Elbensache erzählt man sich.«
»Dass das jetzt wirklich alles wahr sein soll«, brummte Hartmut.
Sie kamen an das hintere Tor des inneren Bereichs. Drei Pferde standen auf dem Burghof. Theophil lag in der Nähe des Brunnens auf dem Boden. Der Pfeil in seiner Brust war abgebrochen, das gefiederte Ende baumelte träge herab. Kein Mensch war zu sehen. Offensichtlich wurde nicht befürchtet, dass der alte Mann fliehen würde. Oder er war bereits tot.
»Ach du liebe Zeit«, hauchte Hartmut. »Er braucht einen Arzt!«
»Ich glaube kaum, dass der König für einen Gefangenen einen Arzt rufen wird«, meinte Walter und deutete auf Theophils gefesselte Hände. »Ich weiß ja nicht mal, ob er für seine Mutter einen rufen würde«, fügte er leise hinzu.
Doch Hartmut war bereits mit langen Schritten auf Theophil zugegangen. »Was tust du?«, zischte Walter.
Hartmut ließ sich neben Theophil nieder und berührte seine Schulter.
»Ich bin Hartmut, der Enkel von Serba. Sie war die Nichte Eures Großvaters.« Mühsam öffnete
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