Neonazis in Nadelstreifen
Die haben längst an Macht und Einfluss innerhalb der NPD gewonnen und gestalten die Politik der Partei mit. Nicht nur im Bundesvorstand sind Doppelzugehörigkeiten inzwischen üblich. In einigen Bundesländern wie Hamburg und Sachsen-Anhalt sind die Grenzen zwischen Partei und Kameradschaft fließend geworden. Etliche Kader der Kameradschaften wandten sich in Bayern, Hessen, Thüringen und Schleswig-Holstein der Partei zu. In Berlin verschwanden sogar freie Netzwerke zugunsten der NPD . Insbesondere im Hinblick auf die NPD -Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern und ihre angestellten Mitarbeiter wird der gestiegene Machtanspruch der »Freien Nationalisten« deutlich.
Vorn rechts am Fenster, vom Landtagspräsidium aus gesehen, sitzen die sechs Abgeordneten der NPD im Schweriner Landtag. Der etwas größere seitliche Abstand ihrer Abgeordnetensitze zu den Plätzen der anderen Fraktionen fällt ins Auge. Eine Distanz, die dem NPD -Fraktionschef Udo Pastörs recht sein dürfte, erklärt er doch gern öffentlich: Diese »Demokratenfratzen« müssten mit »Besen aus Stahlborsten« aus den Ämtern gejagt werden. Seine Wortwahl mag erschrecken. An den Stammtischen politisch Verdrossener und sozial Enttäuschter aber schockieren sie weniger. »Die da oben, wir hier unten«, lautet die stetig wiederholte Botschaft der NPD aus dem Schloss.
Tatsächlich fiel Pastörs’ Fraktion bisher weniger durch interne Querelen als durch gezielte politische Affronts auf, so etwa am 30 . Januar 2008 . In einer Reihe hintereinander hatten die NPD -Kader Udo Pastörs, Stefan Köster, Michael Andrejewski, Raimund Bormann und die Kameradschafts-Aktivisten Tino Müller und Birger Lüssow auch an diesem Tag wie gewohnt Platz genommen. Dort blieben sie auch dann noch demonstrativ sitzen, als Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider ( SPD ) die Abgeordneten bat, sich für eine Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus von ihren Sitzen zu erheben.
Anlässlich des 75 . Jahrestags der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 erklärte Bretschneider zu Beginn der Sitzung: »Der 30 . Januar 1933 steht für das Ende von Freiheit und Meinungsverschiedenheit.« Terror und Gewalt seien die Folge gewesen, sagte sie auch zum Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 63 Jahren. Hitlers Machtübernahme müsse eine Mahnung sein, antidemokratische Tendenzen zu bekämpfen. Eine gänzlich unpassende Erinnerung und Mahnung fand die NPD -Fraktion: Ihr Abgeordneter Michael Andrejewski warf den anderen Parteien vor, das Gedenken für »taktische Spielchen und Selbstinszenierung« zu missbrauchen: »Da machen wir nicht mit.« Stefan Köster, NPD -Fraktionsgeschäftsführer, forderte frech, dass die Landtagspräsidentin ihr Mandat niederlegen sollte. »Sie schaden der Demokratie.«
Das Parlament als Bühne für extrem rechte Botschaften. Meist wohlüberlegt inszeniert, auch vom NPD -Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx, der oft hinten im Saal sitzt und mit kleinen Zeichen unauffällig die Parteiauftritte seiner Kameraden lenkt. Die NPD profitierte an diesem Donnerstag Ende Januar mal wieder vom Überraschungsmoment. Die Fraktionschefs von CDU , SPD , Linker und FDP mussten beraten, ob das Verhalten der NPD nach der Geschäftsordnung sanktioniert werden könne. Derweil berief die NPD -Fraktion provokativ den Ältestenrat ein und beantragte eine Sitzungsunterbrechung. Denn für Udo Pastörs hatte die Landtagspräsidentin eigenmächtig gehandelt, als sie zur Gedenkminute aufforderte. Dem eigenen Geschichtsverständnis folgend, erklärte er weiter: »Die NPD -Fraktion ist nicht bereit, sich am einseitigen Schuldkult zu beteiligen. Auch wir Deutschen hatten Opfer, insbesondere die unzähligen Toten nach den angloamerikanischen Terrorangriffen auf unsere Städte sowie die Millionen Opfer von Flucht und Vertreibung.« Erst wenn die »deutschen Opfer« mit einbezogen würden, werde »sich die NPD -Fraktion an solchen Opfergedenken beteiligen«.
Die Schweriner Provokation weckt Erinnerungen an eine ähnliche Aktion in Dresden. Dort nutzte die NPD -Fraktion um Holger Apfel vor drei Jahren ebenfalls einen Gedenktag für einen Eklat. »Klamauk um des Klamauks willen« lehnt Apfel zwar ab, doch den »kalkulierten Tabubruch« befürwortet er. Am 21 . Januar 2005 suchte er ihn im Sächsischen Landtag. »Jämmerlich« und »würdelos zum Erbrechen« sei es, sagte er, dass für »die Opfer des alliierten Bombenterrors« im »dicht gefüllten
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