Neonazis in Nadelstreifen
Terminkalender der Sühnekultur in Deutschland kein Platz mehr übrig« sei. Jürgen Gansel, Fraktionsmitglied und Parteitheoretiker, legte nach: »Die Behauptung, ein alleine durch Deutschland verschuldeter Krieg sei in Form des alliierten Bombenterrors auf das Land der Täter zurückgefallen, (…) ist infam, weil unwahr.« Sein gezielt verwendetes Wort vom »Bombenholocaust« bestimmte später die öffentlichen Diskussionen.
Widersprechen solche Aktionen nicht der Parteilinie, wenn Apfel, Gansel und Pastörs immer wieder betonen: »Wir werden daran gemessen, was wir zur Lösung der sozialen Fragen beizutragen haben«, und deshalb fordern, sich der Gegenwart zuzuwenden? Nur bedingt, denn auch Erinnerungskultur ist Gegenwartspolitik. Nicht nur für die NPD , die mit diesen Verlautbarungen ihrem Klientel demonstrieren will, dass sie sich im Landtag von den verhassten »Systemparteien« nicht zähmen lässt. Aber die Partei zielt mit solchen Wortmeldungen nicht zuletzt auf die gesellschaftliche Mitte. Denn eine 2005 von Infratest dimap durchgeführte Umfrage zum »Bomben-Holocaust« offenbarte: 27 Prozent der Deutschen unter 30 Jahren und 15 Prozent der über 60 -Jährigen stören sich nicht daran, die alliierte Bombardierung Dresdens mit der nationalsozialistischen Judenverfolgung gleichzusetzen.
In Schwerin freute sich die NPD über die Aufmerksamkeit, die sie mit ihrem bloßen Sitzenbleiben erzielt hatte. Die Bilder der NPD -Abgeordneten, die sich der Bitte Bretschneiders teils höhnisch grinsend widersetzten, lösten Kritik aus. Nicht aber allein an der NPD . »Dieser Vorfall zeigt deutlich, welch Geistes Kind die NPD ist«, sagte die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt (Grüne), hob jedoch gleichzeitig hervor: »Hier einfach zu schweigen und zur Tagesordnung überzugehen erleichtert es den rechtsradikalen Ideologen, ihr menschenverachtendes Gedankengut zu verbreiten.« Kritik, die die Gescholtenen weit von sich wiesen. Der mecklenburgische CDU -Fraktionschef Armin Jäger erwiderte, es wäre »ein Leichtes gewesen, ein geharnischtes Wort zu sprechen.« Doch das habe man bewusst nicht gewollt. »Wir wollten, dass alle Welt sieht, wie sich die NPD verhält.« Die NPD habe durch ihr Verhalten, so auch SPD -Fraktionsvorsitzender Volker Schlotmann, »ihr wahres Gesicht gezeigt und keinen Zweifel daran gelassen, wo ihre ideologischen Wurzeln liegen«. Im Landtag bemühen sich die Fraktionen zwar schon seit dem Einzug der NPD , ihnen möglichst keine Gelegenheit zur Profilierung zu bieten, aber vielleicht wären am 30 . Januar doch eindeutigere Worte als sonst nötig gewesen.
Sylvia Bretschneider weiß um die Schwierigkeit, einen angemessenen Umgang mit der NPD zu finden: »Die NPD ist demokratisch gewählt, gleichwohl gehört sie nicht zu den demokratischen Parteien.« Letzteres ist keine Unterstellung, NPD -Fraktionschef Udo Pastörs verkündet selbst: »Ich bin kein großer Freund dieser Form des Parlamentarismus.« Die anderen Fraktionen hatten schon vor dem Wahltag überlegt, wie sie vermeiden könnten, so Bretschneider, der NPD »auch nur einen Millimeter mehr Raum in unserer demokratischen Ordnung einzuräumen, als unbedingt nötig ist«. Populistische Erfolge, wie sie die NPD -Fraktion in den ersten Sitzungen des Landtages in Dresden erzielen konnte, sollten in Schwerin unterbunden werden. Eine Idee: die Verkürzung der Redezeit. Eine weitere: Nur ein Abgeordneter hält für alle Fraktionen die Gegenrede, so bestimmt die NPD nicht die ganze Sitzung. Im Schweriner Schloss erhöhte die Verwaltung zudem die Sicherheitsmaßnahmen. »Was will man erwarten von einer Fraktion«, spielte Bretschneider auf Stefan Köster an, »deren parlamentarische Geschäftsführer« eine »am Boden liegende Frau mit Füßen« tritt.
»Schlimm sind die Bemerkungen der Neonazis, wenn sie sich laut untereinander über etwas lustig machen«, erzählt eine Abgeordnete. Ein anderer berichtet, er fühle sich oft hilflos und wütend, »wenn ich diese menschenverachtenden Zwischenrufe höre«. Oder wenn beispielsweise Udo Pastörs selbstsicher lächelnd zum Redepult geht und dann zur Sozialpolitik meint: »Sie sprechen von der Unterstützung benachteiligter Menschen«, doch »unser erstes Augenmerk hat dem Gesunden und Starken zu gelten«. Ein anderes Mal war er vorgeblich in Sorge um »Rechtsstaat und Meinungsfreiheit« und beantragte, den sogenannten Volksverhetzungs-Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Er
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