Neonazis in Nadelstreifen
rechten Szene den Ruf eines »Erbschleichers«. Altnazis wie Gertrud Herr oder Wilhelm Tietjen vermachten ihm Geld oder Grundeigentum. Dafür erhielten sie als Grabstein einen Findling auf der Ahnenstätte in Conneforde bei Oldenburg. Gertrud Herr, die ehemalige BDM -Führerin, hatte zeitlebens Hitler verehrt. »Ist er nicht ein schöner Mann«, war so einer ihrer Sprüche. Jugendliche Neonazis lud sie bis zur Schließung von Riegers Neonazi-Tagungszentrum Hetendorf Nr. 13 in der Lüneburger Heide 1998 zur politischen Schulung. Immer wieder habe sie auch finanziell geholfen, berichtete die Altnazistin Ende der 90 er Jahre stolz. Damals kündigte sie an, dass ein großer Anteil aus dem Verkauf der elterlichen Villa in Binz auf Rügen an Rieger gehen sollte.
Der 2002 verstorbene Bremer Lehrer Tietjen lebte zurückgezogen, galt in der Nachbarschaft als geiziger »Waldschrat«. Anwohnern fiel auf, dass der Hamburger Anwalt kurz vor dessen Tod regelmäßig im Bremer Stadtteil Hemelingen auftauchte. Tietjen, der selbst keine Kinder zeugen konnte, hatte sein Millionenvermögen aus Aktiengewinnen einer eigenwilligen Befruchtungsförderung zugedacht. »Der Onkel war in Riegers Verein Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung«, erzählte eine seiner Nichten gegenüber einem Fernsehteam von Radio Bremen. Er habe »zeitlebens von einem neuen Lebensborn geträumt«. Um die Erbschaft des braunen Lehrers sinnvoll zu investieren, richtete Rieger zunächst die britische Briefkastenfirma Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Ltd. in London ein. Danach erwarb er 2003 für 360 000 Euro ein Hotel in Pößneck in Thüringen und im Frühjahr 2004 für 255 000 Euro die ehemalige Standortkommandantur der Bundeswehr im niedersächsischen Dörverden. Für die Bundestagswahl 2005 wurden die dortigen vier ehemaligen Bundeswehrgebäude, mit Atombunker und unterirdischen Schießanlagen, als eine der Wahlkampfzentralen genutzt. Mit rund 1000 Besuchern bei einem Rechtsrock-Konzert sowie einer NPD -Veranstaltung wurde das thüringische Hotel im April 2005 eingeweiht.
Riegers Immobilienimperium wächst. Die ehemalige Unternehmerin Ilse Frey aus Rodenberg im Weserbergland verschenkte eines ihrer Häuser bereits zu Lebzeiten an Rieger. Die 87 -Jährige gilt in ihrem Wohnort als überzeugte Nationalistin. »Rieger ist schon lange ihr Anwalt«, weiß jemand aus ihrem Bekanntenkreis. Ebenfalls von ihm vertreten wird eine ältere Dame aus Ahrensburg bei Hamburg. Für sie hat er die Rückübertragung eines vierstöckigen Wohnhauses im Bahnhofsviertel von Stralsund durchgesetzt. »Ich habe gegen die Stadt gewonnen«, prahlte Rieger stolz gegenüber den Medien. Im Sommer 2007 bezog in einigen Räumen des heruntergewirtschafteten Gebäudes ein Neonazi-Laden namens »Sonnenbanner« Quartier. Das Gebäude wurde zum rechten Szenetreffpunkt.
Zu Riegers Schatz gehören außerdem ein über 600 Hektar großes Landgut in Schweden, ein vermietetes Mehrfamilienhaus in Hamburg-Harburg, mehrere Häuser in Niedersachsen. Doch manche Gebäude verrotten zusehends. Der Hausherr aus Blankenese ist vielbeschäftigt, eingesetzte junge Neonazis scheinen mit den Hausmeisterarbeiten überfordert. Einen 1999 erworbenen Gebäudekomplex in Hameln mit ehemaligem Kinocenter, neun Wohnungen und fünf Ladengeschäften versuchte Rieger für 2 , 5 Millionen Euro bei Ebay wieder loszuwerden. Ohne Erfolg. Als die niedersächsische NPD für den Landtagswahlkampf Anfang 2008 dringend Räume benötigte, sprang Rieger ein. Er hatte ohnehin zigtausend Euro in die stuckverzierte Immobilie mit gelbem Anstrich in der Deisterstraße investieren müssen. Die Stadt Hameln hatte zuvor ein Nutzungsverbot für das ehemalige Kinocenter mit seinen sechs Sälen verhängt, weil das Gebäude bauliche Mängel aufwies und nicht den nötigen Sicherheits- und Brandschutzvorschriften entsprach. Rieger erhoffte sich eine Aufhebung des Verbots. Großspurig kündigte er bei einer Mahnwache der NPD vor dem Haus am 12 . Januar an, dass sich »demnächst auch ein Kreisverband« der Partei in der Stadt an der Weser gründen und es dort bald »richtig abgehen« werde. Die Partei wird sich die Hände reiben, für sie kommt eine Nutzung der Großimmobilie dem Wunsch nach mehr ökonomischer Autonomie sehr entgegen.
Doch allein mit Immobilienerwerbungen und Erbschaften alter Nazis lassen sich die erheblichen Finanzströme innerhalb der Neonazi-Szene nicht erklären. Seit Jahrzehnten
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