Neonazis in Nadelstreifen
Entwicklung eines einzelnen Kindes, sie wird als Aufgabe »für die Leistungsfähigkeit, die Überlebensfähigkeit, die Klugheit, die Reife und Persönlichkeit einer ganzen Generation« angesehen.
Im Forum ihrer »Weltnetzseite«, wie die GDF -Homepage eingedeutscht genannt wird, tauschen die Frauen Erziehungstipps aus. »Beke« empfiehlt, die Temperatur im Kinderzimmer »unter 17 Grad im Winter« zu halten. Außerdem lehnt die überzeugte Nationalsozialistin, die angeblich seit acht Generationen »nachgewiesen deutsch« ist, ausländisches Essen ab: »keine Nudeln aus Italien, kein Döner aus Griechenland, keine Pommes aus Frankreich«. Schockiert über solche autoritäre Kindererziehung, zog sich Kirsten T. zunächst von den Kameradinnen und dann aus der gesamten Szene zurück. Die junge Frau ist inzwischen entsetzt über das, was sie in einer der ostdeutschen Sektionen jahrelang miterlebte. »Zucht und Sitte wie im Dritten Reich« sei bei manchen Familien die Norm gewesen. »Die Kinder sollen gehorchen und funktionieren«, erzählt sie. Auch »körperliche Züchtigungen« hat Kirsten T. kennengelernt. »Es war schwer zu ertragen«, sagt sie heute.
Martina B. erging es ähnlich, auch sie empfand die Kindererziehung der Neonazis als furchteinflößend. Die Frau mittleren Alters hatte eine Zeitlang Zugang zu einem Teil der Neonazi-Szene im sogenannten Mitteldeutschland. Ihr fiel auf, dass die Kinder der Neonazis »regelrecht abgerichtet« wirkten. »Es wurde nicht getobt und kaum gelacht«, erinnert sie sich. Jedes Wochenende sei mit politischen Treffen oder Brauchtumsfesten verplant gewesen. Oft hätten die größeren Kinder nur müde und matt herumgesessen. Mit kleineren Kindern zu spielen werde abgelehnt, vor allem von den Vätern. »Die Kinder sollen nicht verweichlicht werden«, erklärt Martina B. die zweifelhaften Erziehungsmethoden ihrer ehemaligen Kameraden. Nach außen gerieren sich Neonazi-Frauen als Übermütter, die für das Wohlergehen ihrer »Sippe« Naturkost kaufen, Kleidung selbst herstellen und auch sonst auf möglichst viele technische Haushaltshilfen verzichten. Beide Aussteigerinnen berichten jedoch, dass insbesondere junge Mütter aus den Reihen der GDF mit so einem Leben oftmals hoffnungslos überfordert seien. Bevor aber Probleme nach draußen dringen, übernähmen Kameradinnen bei den Betroffenen deren ideologische und körperliche Betreuung. Wichtig ist, dass die Frauen »bei der Stange« bleiben.
Die braune Szene versucht auch, die weiblichen Mitglieder gezielt von der Außenwelt abzuschotten. Eigens eingerichtete nationale Partnerbörsen wie »Odins Kontaktanzeigen – von Patrioten für Patrioten« sorgen per Mausklick dafür, die hier Suchenden zusammenzubringen. Der Traum vom großen Glück muss weiß sein, deutsch und volksbewusst. Die Partnerfindung innerhalb der Szene stärkt die »Bewegung«, das private Glück bindet noch enger an die politische Gemeinschaft. Auf Szene-Websites finden sich Kontaktanzeigen wie: » 21 -jähriges Mädel, Haare so flammend wie die Kraft meiner Ahnen, Augen so grau wie das Nordmeer« sucht einen »starken, aber liebevollen Germanen«.
Um die jungen Frauen und Mütter bei Laune zu halten und den Zusammenhalt zu stärken, organisieren Anführerinnen der Gemeinschaft Deutscher Frauen zahlreiche Aktivitäten, wie das GDF -Herbsttreffen 2006 im Harz, von dem Ricarda Riefling begeistert im Internet berichtete. Neben »lustigen Kennlernspielen mit Hexentüchern«, Kräuterkunde und einem Museumsbesuch wurden »Gedichte für die Heimatvertriebenen des deutschen Ostens« vorgetragen und »unserer Brüder und Schwestern, die in deutschen Städten noch immer unter fremder Herrschaft leben müssen«, gedacht. Im Dezember 2006 lud die junge Aktivistin gemeinsam für die GDF und für die Freien Kräfte Hildesheim ihres Ehemannes zu einer Zeitzeugenveranstaltung mit dem ehemaligen Jagdflieger Reinhold Leidenfrost. Der überzeugte Altnazi erzählte den 75 Gästen in einem Saal in Salzgitter vom »Deutschen Reich, dem Krieg und seinem späteren Aufenthalt in Afrika«. Frauen der mitgliederstärksten GDF -Sektion aus Berlin und Brandenburg konzentrieren sich nach eigenen Angaben hauptsächlich auf die Schulung ihrer
17 - bis 35 -jährigen Anhängerinnen. Für den neugegründeten Nationalen Sanitätsdienst der NPD , kurz NSD , sucht die GDF noch ehrenamtliche Helferinnen. Im Sinne seines Vorgängers, des Braunen Kreuzes, soll der NSD Erste Hilfe bei
Weitere Kostenlose Bücher