Neonazis in Nadelstreifen
Landgericht Mühlhausen zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit, weil er vier Jahre zuvor 5000 CD s mit volksverhetzendem Inhalt in Thailand hatte produzieren lassen. Sechs Monate später erhielt er vor dem Göttinger Landgericht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung wegen Volksverhetzung. In den Jahren 2001 und 2002 hatte der rechte Unternehmer 6000 CD s mit volksverhetzenden Texten in der Slowakei und in Tschechien herstellen lassen. Außerdem muss er rund 15 000 Euro Strafe zahlen. Diese Summe habe er, so argumentierte das Gericht, mit dem Vertrieb jener CD s verdient, die Gegenstand des Verfahrens waren.
Stoisch verfolgen die vier Angeklagten, drei Männer und eine Frau, den Prozess vor dem Landgericht Halle an der Saale. Die Staatsanwaltschaft legt ihnen besonders schwere Brandstiftung und versuchten Mord zur Last. Sie sollen in den frühen Morgenstunden des 6 . Januar 2007 an einer Tankstelle in Sangerhausen 1 , 6 Liter Benzin sowie ein Mixgetränk gekauft haben. Später, so die Staatsanwaltschaft, hätten sie einen Molotowcocktail in die örtliche Asylbewerberunterkunft geworfen. Zum Glück für die dort einquartierten Menschen litt einer der Bewohner unter Schlafstörungen. Der Grund: Bereits zwei Mal waren ihm die Scheiben seiner Wohnung im Hochparterre eingeworfen worden. So reagierte er sofort, als das Küchenfenster zersplitterte und die Küche durch den Brandsatz Feuer fing. Er weckte die im ersten Stock Schlafenden, so dass sich alle in Sicherheit bringen konnten.
Die jungen Männer im Alter von 24 bis 27 Jahren kamen von einer Party bei Enrico Marx aus Sotterhausen, einem der bekanntesten Neonazis in den neuen Bundesländern. Die 21 -jährige Frau hatte sie gefahren. »Jeden Freitag ist hier Treffpunkt für Kameraden / innen aus den umliegenden Städten. Die Jungs und Mädels fahren teilweise 2 Stunden, um hier zu sein«, berichtete Enrico Marx 2006 stolz in einem Interview mit der Kampagne »Schöner Leben mit ›Nazi‹-Läden«. » 12 oder 13 Jahre jung«, sei er »durch gewisse Kassetten von den ›Onkelz‹, ›Störkraft‹, ›Endstufe‹ usw.« mit der Szene 1988 / 89 in Kontakt gekommen. »Mit 16 Jahren verlor ich dann mein Haar durch eine Schermaschine, und ich frönte total der Skinhead-Mucke. Man traf sich in einer kleinen Truppe, wovon heute keiner mehr dabei ist und machte die Gegend unsicher. Man traf andere Gleichgesinnte und fuhr auf die ersten Konzerte und Partys. War eine lustige Zeit. Ich trat in die FAP ein, welche aber kurz darauf verboten wurde«, erzählte Marx – das war 1996 . Rund zwei Jahre später gründete er die neonazistische Kameradschaft Ostara, zu der zeitweise eine Fußballmannschaft und zwei Bands gehörten. 2002 trat er schließlich mit seinem neu gegründeten Plattenlabel Barbarossa Records in die Öffentlichkeit, heute ist er eine der wichtigsten Anlaufadressen für Rechtsrock in Sachsen-Anhalt. Im Jahr drauf pachtete er mit seiner Lebensgefährtin Judith Rothe einen ehemaligen Gasthof in Sotterhausen. Den Gebäudekomplex deklarierte Marx zeitweise als »Nationales Wohnprojekt«. 2006 trat der 30 -Jährige der NPD -Jugendorganisation bei. Seine Freundin ist schon länger für die Partei aktiv und Landesverbandsleiterin der NPD -Unterorganisation Ring Nationaler Frauen in Sachsen-Anhalt, Mitglied des Landesvorstands und seit dem Frühjahr 2007 Mitglied des Kreistages Mansfeld-Südharz.
In der Szene firmiert die Adresse der beiden unter dem Namen »Zum Thingplatz«. Regelmäßig traf man sich freitags dort, auch zu Rechtsrock-Konzerte, die Marx veranstaltete, bis ihm das Ordnungsamt des Altkreises Sangerhausen 2007 die Benutzung seiner Räumlichkeiten für Feiern und Ähnliches untersagte. Bei Zuwiderhandlung müsse er eine Geldstrafe von 5000 Euro zahlen, die inzwischen fällig wurde, nachdem Marx gegen die Auflage verstoßen hatte.
Rechtsrock-Konzerte sind die Höhepunkte in der neonazistischen, stark durch Musik und Lifestyle geprägten Erlebniswelt. Die Anreise gleicht einer Schnitzeljagd. Nur vage wird im Vorfeld per E-Mail oder SMS für die Veranstaltungen im Kameradenkreis geworben, erst bei der Gesichtskontrolle am Schleusungspunkt wird der Konzertort mitgeteilt. Auf keinen Fall soll der Veranstaltungsort frühzeitig bekannt werden, befürchten die Veranstalter doch, dass die Behörden einschreiten, »die Antifa« Gegenproteste organisiert und Journalisten durch Nachfragen Wirte abschrecken. Jeder
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