Neonazis in Nadelstreifen
erster Linie als Forum der Selbstdarstellung und als Möglichkeit der Gegenöffentlichkeit. Für Jugendliche oder junge Erwachsene bietet sie seit 2007 dort auch ihre selbstproduzierten Zeitungen für Schüler zum Download an, mit denen sie den »Kampf um die Köpfe« unter den potentiellen jugendlichen Wählern führen will. Der Landesverband Rheinland-Pfalz erstellt gemeinsam mit dem Bundesvorstand der NPD -Jugendorganisation das Heft »Schinderhannes«, die NPD Strausberg eine Publikation namens »Brennnessel« und die NPD / JN -Landesverbände Berlin und Brandenburg den »Stachel – Schülerzeitung für Mitdenker«. Eine einstweilige Verfügung des Berliner Landesverbands von Bündnis 90 / Die Grünen untersagt ihnen aber mittlerweile die Weiterverwendung des Titels, da die Grünen den Namen »Stachel« seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen Varianten für ihre Parteizeitschriften gebrauchen.
Beschlagnahmt wurde zunächst auch die erste, im September 2007 verteilte Ausgabe der Zeitung »perplex – jung, frech, deutsch«, herausgegeben vom sächsischen JN -Landesverband. Zwei Monate später stufte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ( BP jM) die Ausgabe als jugendgefährdend ein – das Blatt darf damit nicht mehr Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren zugänglich gemacht werden. Zwar echauffierte sich die Partei ob des vermeintlichen Unrechts, verteilte aber noch vor Weihnachten provokativ die zweite Ausgabe des Heftes. »Mit der regelmäßigen Herausgabe der Jugendzeitung ›perplex‹ wollen die Jungen Nationaldemokraten einen Beitrag zur politischen Tendenzwende an den Schulen in Sachsen leisten«, erklärt der sächsische JN -Landesvorsitzende Jens Steinbach. Im Heft warteten sie mit einem Interview mit »Gigi«, alias Daniel Giese, von der Meppener Neonazi-Band Stahlgewitter auf. Er äußerte sich darin zu der in seinen Augen unberechtigten Strafverfolgung seiner Musik – die von Texten wie diesen begleitet wird: »Eine türkische Stadt auf deutschem Boden, Millionen Fremde, die sich hier austoben. Wie soll ich das denn meinen Kindern erklären, dass wir Deutschen so blöd sind und uns selber zerstören (…). Eine Division nach Kreuzberg, eine Division in Schwarz. (…) Wir brauchen sie wieder, das ist kein Witz, die Jungs in Schwarz mit dem doppelten Blitz.« Gefragt, was Giese den Lesern der »Schülerzeitung« mit auf den Weg geben wolle, hob er hervor: »Der Sieger schreibt die Geschichte, das müssen wir Deutschen leider im Moment noch hinnehmen. Ganze Generationen werden bewußt und geplant so (um)erzogen, man stiehlt ihnen ihre nationale Identität. Von deutscher Schuld und Auschwitz hört man schon im Kindergarten, (…). Schluckt nicht jede Behauptung, schon gar nicht von linken Paukern.«
Die NPD ist für den Fall jugendlichen Nachfragens gewappnet. In diversen Publikationen, die im »nationalen Warenhaus«, dem Deutsche Stimme Versand, erhältlich sind, wird die Waffen- SS als tapferste Armee der Welt dargestellt und ihre Verbrechen geleugnet, werden ehemalige nationalsozialistische Größen als fähige und menschliche Politiker charakterisiert. Das Leben unter dem Hakenkreuz wird dabei zu einer goldenen Ära – eine Verfälschung der Geschichte von alten Nationalsozialisten und heutigen Neonazis, um den Nationalsozialismus und sein Gedankengut zu rehabilitieren.
Offensiv wirbt die NPD in der zweiten Ausgabe der Zeitschrift »perplex« unter der Überschrift »Parole ›Gegenkultur‹« für eine »nationale Jugendkultur«: »Wenn von ›rechts‹ die Rede ist, hört man immer von angeblicher Gewalt, autoritären Strukturen oder irgendwelchen Kleidungsvorschriften. Das ist Unfug! In der rechten Szene ist es völlig egal, wie man rumläuft, welche Musik man hört oder ob man Geld hat oder nicht. Wichtig ist vielmehr, daß man sich einbringt und verstanden hat, worum es geht.«
Im Kontrast zu dieser gern behaupteten angeblichen Offenheit und Freiheit in der neonazistischen Jugend- und Musikszene steht die szeneinterne Gewalt, die zum Beispiel Abweichler und Aussteiger trifft. Den Hang zur gefährlichen Intoleranz offenbart etwa die Göttinger Band Agitator in ihrem Lied »Aussteiger«: »Ja, wir können doch gute Freunde bleiben, hat er zu mir gesagt, leider hatte ich in dem Augenblick die Knarre nicht parat! Ja, wir können doch gute Freunde bleiben, das nahm ich ihm krumm, und ich frage mich noch heute, warum schlug ich ihn nicht um?«
Eine kleine Warteschlange staut
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