Neonazis in Nadelstreifen
sich vor dem Eingang zum NPD -Sommerfest in Sangerhausen. »Zwölf Euro!« – »Für was?« – »Spende!« Viele schauen die beiden Kassierer verblüfft an, dachten sie doch, der Eintritt wäre umsonst. Bereitwillig ziehen junge, kräftige Männer ihre Portemonnaies. »Ist ja für die Bewegung«, murmelt einer und zahlt. Nur eine Kleinfamilie verhandelt noch. »Wir wollen wirklich nur mal kurz gucken, wirklich! Wir gehen auch gleich wieder.« 24 Euro Eintritt, für das junge Paar merklich viel Geld – Geld, das die NPD gut gebrauchen kann.
Vor allem mit dem Rechtsrock und den unzähligen Life- style-Accessoires werden seit Jahren schon Millionenbeträge umgesetzt. »Außerhalb der Parteienfinanzierung ist dies der umsatzträchtigste Bereich im Rechtsextremismus«, schätzt eine Länderoffene Arbeitsgruppe aus dem Kreis der Innenminister und-senatoren der Länder in ihrem Bericht »Finanzquellen der rechtsextremistischen Kreise« vom 15 . Juni 2007 . Die Herstellung einer CD samt Begleitheft koste die Produzenten bei einer Auflage von 3000 Stück gerade einmal einen Euro pro Exemplar. An Zwischenhändler werden größere Chargen zu Staffelpreisen weitergegeben. Der Endabnehmer zahlt indes in der Regel 14 bis 15 Euro. Allerdings macht die neuere Entwicklung auch den neonazistischen Musiklabeln zu schaffen. CD s werden häufiger kopiert als verkauft, vor allem die MP 3 -Technik sorgt für den schnellen Austausch von Musik. Geld machen daher viele Musikproduzenten in der Szene mit einem kaum noch zu überschauenden Merchandising-Angebot. Die meisten bekannten braunen Musikgruppen haben eigene Band-T-Shirts. Von Shootingstars wie Landser oder Die Lunikoff Verschwörung sind gleich ein halbes Dutzend verschiedener Motive erhältlich.
Als besonders einträglich hat sich in den letzten Jahren die Entwicklung eigener Bekleidungsmarken erwiesen. Es ist noch nicht so lange her, da kleideten sich die jüngeren Angehörigen der extremen Rechten fast unisono in Produkte der britischen Firmen Fred Perry oder Lonsdale, die auf der Insel bereits seit den 70 er Jahren von Skinheads getragen wurden. Doch dann wurde in der neonazistischen Szene kolportiert, dass der Firmengründer Fred Perry Jude gewesen sei und dass Lonsdale antirassistische Projekte unterstütze. Geschäftstüchtige Aktivisten der extremen Rechten kreierten daraufhin eigene Marken. Consdaple heißt eine, deren Schriftzug dem von Lonsdale zum Verwechseln ähnlich sieht. Der Name weckt Assoziationen an den britischen Polizisten, der allerdings constable geschrieben wird – ohne die Buchstabenfolge »nsdap« in der Mitte. Andere Marken heißen Masterrace (»Herrenrasse«) oder Hate Hate (»Hass Hass«). Hinsichtlich der Verbreitung und Popularität reichen sie indes nicht an die Marke Thor Steinar heran, die von einer Firma aus Brandenburg entwickelt wurde. Ihre Produktpalette ist vielfältig und reicht von Hosen, Hemden und T-Shirts bis zu Jacken. Die Inhaber wiesen den Vorwurf stets von sich, mit der neonazistischen Szene etwas zu tun zu haben. Nichtsdestotrotz trägt diese die Accessoires mit dem Firmennamen besonders gern. Auch, weil eine Reihe von Motiven ihr Weltbild widerspiegelt. Ein Adler greift beispielsweise auf dem Rücken einer Kapuzenjacke mit seinen Klauen einen Fisch – Letzteres ein Bildmotiv frühchristlicher Kunst. Der Aufdruck symbolisiert im neonazistischen Spektrum den neuheidnischen Kampf gegen das Christentum. Der Hamburger Neonazi und Vorsitzender der neonazistischen Vereinigung Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung, Jürgen Rieger, hat sich dieses Motiv markenrechtlich schützen lassen.
Die Produzenten neonazistischer Musik oder Bekleidungsstücke nutzen die erwirtschafteten Gewinne in der Regel, um zunächst den eigenen Lebensunterhalt zu sichern und gegebenenfalls einigen Kameraden eine Beschäftigung zu verschaffen. Die Szeneunternehmer werden jedoch nicht müde zu betonen, dass sie auch Geld in die Bewegung zurückfließen lassen, schließlich geht es um ihre Reputation. Schnell kann da einen der nationale Bannstrahl treffen. Ingo Knauf, Inhaber des V 7 -Versandes, musste sich aus der Szene vorhalten lassen, dass er nie mehr mit ihr zu tun gehabt hätte »außer eben das CD -Geschäft«. Provozierend fragte einer seiner braunen Konkurrenten, Yves Rahmel vom Chemnitzer Label PC Records, in einem offenen Brief an Knauf: »Lieber Ingo, wann hast Du die letzte nationale Veranstaltung
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