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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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waren lange nicht beschnitten und gepflegt worden. Johanna fand Gefallen daran.
    Die Außenbeleuchtung sprang durch einen Bewegungsmelder an. Die Lampe war von der salzigen ostfriesischen Luft rostig und verwittert, aber die Birne darin gab noch Licht. Der Briefkasten war halb weggefault.
    Eine schmale Treppe führte nach oben. Es war eine gemütlich eingerichtete Wohnung unterm Dach. Solche Möbel hatte Ikea in den achtziger Jahren verkauft, mutmaßte Johanna.
    Das Wohnzimmer war indirekt beleuchtet. Zwei Leuchter an der Wand, eine Stehlampe. Keine Energiesparlampen, sondern richtige alte Glühbirnen.
    Obwohl es in der Küche genügend Geschirr gab, holte Pit eine Teekanne mit ostfriesischem Muster aus der Vitrine und dazu die passenden kleinen Tassen.
    Während er auf dem Gasherd im Kessel das Teewasser heiß machte, stellte er ihr die kleine Wohnung vor.
    »Da nebenan ist das winzige Schlafzimmer meiner Eltern.« Er lachte. »Die haben sogar noch Paradekissen. Ich hab sie nicht weggeschmissen. Sind eine schöne Erinnerung an meine Kindheit. Als ich klein war, dachte ich immer wunders, wie wertvoll die sind, weil sie so viele Rüschen haben und ich sie nie mit schmutzigen Fingern anfassen durfte.«
    Sie warf einen Blick ins Schlafzimmer, und tatsächlich, zwei Paradekissen waren auf dem kleinen Bett drapiert wie majestätische Statuen einer untergegangenen Epoche. Das Fußende der Betten reichte bis kurz vor den Wandschrank, so dass man die Türen nur einen Spalt weit öffnen konnte.
    Erst jetzt fragte Johanna sich, ob Pit davon ausging, dass sie beide gemeinsam hier schlafen würden. Oder gab es noch ein anderes Zimmer? Hatte er hier als Kind ein kleines Kinderzimmer gehabt? Sollte einer von ihnen auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen? Und natürlich fragte sie sich auch, wie sie selbst dazu stand.
    Sie war müde und kaputt, gleichzeitig aber auch aufgekratzt und aufgewühlt. Undenkbar, dass sie einfach schlafen könnte. Dabei wollte sie doch nichts lieber, als sich hinlegen und die Füße ausstrecken. Die Beine taten ihr weh, als sei das Blut darin gestaut worden, und wahrscheinlich musste ihr Herz sich jetzt sehr anstrengen, um es durch die Adern zu pumpen.
    »Kommen deine Eltern oft hierher?«, fragte sie.
    »Mein Vater ist tot, meine Mutter dement in einem Altersheim«, antwortete er knapp, und von dem Moment an erschien ihr die Wohnung gespenstisch.
    »Bist du oft hier?«
    »Eigentlich nie. Aber das Haus gehört uns. Unten das vermiete ich im Sommer immer an Stammgäste. Das haben meine Eltern schon immer so gemacht. Aber die Räume hier oben möchte ich nicht vermieten, das ist mir irgendwie … zu intim«, sagte er und brühte dabei den Tee auf.
    Er stellte Kandis auf den Tisch und hatte im Kühlschrank auch Kaffeesahne. Als er den Kühlschrank öffnete, fiel Johanna auf, dass er voll bestückt war, allerdings nicht mit frischen Sachen, sondern mit Fertiggerichten. Gulasch, Kohlrouladen, Pizzen.
    Der Tee roch gut und komischerweise bekam sie Hunger auf ein Stück Kuchen. Sie hatte das Gefühl, von den Räumen Besitz ergreifen zu müssen, um dann wirklich hierzubleiben und sich wohl zu fühlen.
    Das Bad war klein, mit einem winzigen Waschbecken und einer Dusche. Von der Toilette ging ein muffiger WC-Stein-Geruch aus. An einer silbernen Stange hingen flauschige, dicke Saunatücher, und auf dem Spülbecken stand ein frischer Seifenspender.
    Pit goss den Tee ein, als sei dies eine besonders große Leistung. Er machte fast ein künstlerisches Happening daraus, und Johanna musste dem Kandis zuhören, wie er knisternd vom heißen Tee gesprengt wurde.
    Pit hielt die Tasse ganz nah an ihr Ohr und strahlte, als hätte er gerade die Elektrizität erfunden. Um ihm einen Gefallen zu tun, lobte sie den Tee und erwähnte dann, dass sie bei dem Geruch Hunger auf Kuchen bekäme.
    Er öffnete sofort einen Hängeschrank und hatte vier verschiedene Sorten Gebäck im Angebot. Zimtwaffeln, ostfriesische Butterplätzchen, Friesentaler und Blätterteigbrezeln.
    Er deutete ihr erstauntes Gesicht falsch. »Ach, du willst keine Kekse, sondern Kuchen. Hab ich auch.«
    Schon baute er drei Sorten auf dem Tisch auf. Marmorkuchen, Zitronenkuchen und Schoko-Kokos-Kuchen. Sie waren alle in Folie verpackt.
    Johanna drehte einen um und sah aufs Haltbarkeitsdatum. Dann sagte sie: »Den können wir noch zu Weihnachten unterm Tannenbaum essen.«
    Er nickte fröhlich, und sie fügte hinzu: »Genug bis dahin haben wir ja auch. Deine Eltern hatten

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