Neongrüne Angst (German Edition)
nennt sich Vermögensberater und nimmt mit Vorliebe alleinlebende Damen aus. Witwen oder …«
Büscher winkte ab. Er wollte nicht weitersprechen, sondern überlegte, ob es Sinn machen würde, noch ein anderes Lokal aufzusuchen. Aber Birte Schiller sagte: »Damit muss unsereins leben. Wir begegnen den Leuten, die wir verdächtigt haben, die wir eingesperrt haben oder die wir gerne überführt hätten, irgendwann wieder draußen. Das geht jedem Lehrer so. Kaum sind seine Schüler groß, sitzen sie ihm an der Theke gegenüber.«
Büscher nickte und bestellte sich trotzig noch einen Tequila Sunrise. Dabei hatte er seinen noch gar nicht angerührt. Dann stieß er mit seinem Glas gegen das von Birte Schiller und bemühte sich um gute Laune: »Trauern wir nicht unseren Fehlern hinterher, begießen wir lieber unsere Erfolge! Wir haben Pjotr, Milhailo und Jurij erledigt, und wenn solche Gestalten hinter Gittern verschwinden, wird die Welt ein bisschen heller, schöner und sicherer.«
Sie tranken gemeinsam und sahen sich dabei an. Aber jetzt hing der Stachel einmal in Büschers Fleisch, und den wurde er so rasch nicht wieder los.
»Wieso, frage ich mich, gibt Jurij alles zu, nur eins nicht: dass er diesen Pit Seidel zusammengeschlagen hat. Die anderen Taten sind doch viel schlimmer. Wir kriegen die wegen Mordes dran, aber diesen Überfall, der überhaupt keine schlimmen Folgen hatte, den leugnen sie. Das kapier ich nicht.«
Birte Schiller zuckte mit den Schultern. »Ich werde diese Kriminellen nie verstehen.«
Büscher sah sie kritisch an. »Das solltest du aber. Es ist unsere Aufgabe. Und dann stellt sich gleich die nächste Frage: Wieso hat Pit Seidel uns weismachen wollen, dass die Russengang auch auf ihn losgegangen ist?« Büscher wischte mit seiner Hand vor seinem Gesicht ein paarmal hin und her, als müsste er die Scheiben putzen. »Der muss doch völlig einen an der Waffel haben. Laut Aussage von Pjotrs Freundin hat er sich eine Plastiktüte über den Kopf gezogen und ist dann mehrfach gegen eine Hauswand gerannt. Uns hat er erzählt, er sei mit einem Baseballschläger angegriffen worden.«
Birte Schiller schaute ihn erstaunt an. » Was hat der getan? Wer macht denn so was? Das muss doch schrecklich weh tun. Oder ist der schmerzunempfindlich?«
Nachdenklich fuhr sie mit den Fingerspitzen am Rand ihres Cocktailglases entlang. Sie zog die Schirmchen heraus und biss die Früchte ab, die auf den Stielen steckten.
»Vielleicht«, sagte sie, »wollte er sich nur interessant machen.«
»Habe ich auch schon drüber nachgedacht. Aber da gibt es doch einfachere Methoden«, wendete Büscher ein. »Also, wir zum Beispiel, früher, wir haben uns die Haare lang wachsen lassen, verschossene Parkas getragen und hinten draufgeschrieben: I’m a Gammler forever. Wir wären doch nicht mit dem Kopf gegen eine Wand gerannt!«
Birte Schiller verschluckte sich an einem Ananasstückchen und hustete: »Du hast wirklich so ausgesehen? Lange Haare? Parka? Und hinten drauf I’m a Gammler forever ?«
Ohne nachzudenken, antwortete er: »Nein, ich hatte Che Guevaras Kopf hintendrauf.«
»Du warst mal ein Revoluzzer?«
Er sagte es eine Spur zu ernsthaft, als dass sie es für einen Scherz hätte halten können. Dabei tippte er mit dem Zeigefinger auf den Tisch. »Trau keinem, der nicht in seiner Jugend mal ein Revoluzzer war. Wir werden doch nicht als Anpasser geboren!«
Sie staunte. Ich lerne immer neue Facetten an dir kennen, dachte sie. Das sagte sie aber nicht.
»Weißt du, was mich am meisten fuchst?«, fragte Büscher und nahm jetzt seinen zweiten Cocktail. Er sah Birte Schiller an. Sie zuckte unmerklich mit den Schultern, und er fuhr fort: »Morgen wird noch gar nichts in der Zeitung stehen. Dafür haben wir den Fall zu spät gelöst. Die ›Nordsee-Zeitung‹ ist ja längst im Druck.«
»Ist es dir wichtig, was sie schreiben?«
»Es wäre ja mal schön, wenn sie unsere Arbeit positiv erwähnen würden.« Büscher hob abwehrend die Hände. »Ich meine, ich will nicht unbedingt ein Bild von mir auf der Titelseite sehen, aber …«
Der Barmixer baute jetzt zwei Gläser mit brauner Flüssigkeit und Eiswürfeln vor Büscher und Schiller auf.
»Das haben wir nicht bestellt«, sagte Büscher. Der Kellner lächelte. »Whisky Sour. Von dem Herrn dort drüben an der Theke. Sie sollen es sich schmecken lassen.«
Grimmig blickte Büscher zu dem Spender rüber. »Danke«, zischte er. »Wir können unsere Drinks selbst
Weitere Kostenlose Bücher