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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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65
    Widerwillig kehrte Leon nach Ganderkesee in die Wohnung von Trudi Warkentin zurück. Er hoffte, dass alle längst schlafen würden. Er wollte die E-Mails und Fotos von Bonnie Hoffmann auf seinen Computer laden und bereitete sich innerlich darauf vor, mit dem Ergebnis seiner Recherchen zu Büscher und Schiller zu gehen.
    Er bastelte schon an Worten: Ihr habt mir damals nicht geglaubt, als ihr meinen Vater und sogar mich verdächtigt habt, meine Mutter umgebracht zu haben. Bitte macht nicht den gleichen Fehler noch einmal. Nur weil ich jung bin, bin ich nicht doof, und nicht alles, was ich sage, muss falsch sein. Schaut euch an, was ich gefunden habe, und dann kombiniert selbst.
    Ja, vielleicht war das das ganze Geheimnis. Man musste die Erwachsenen so weit führen, dass sie dann selbst draufkamen und das Gefühl hatten, alles sei ihre Idee gewesen. Natürlich hatte dieser Verehrer, dieser gottverdammte Stalker, nicht die Hauser-Brüder umgebracht, sondern benutzte dieses Verbrechen nur, um aus sich einen gefährlichen Kerl zu machen. Doch im Falle Bonnie Hoffmann war er schuld an ihrem Tod.
    Wenn jemand Leute in den Selbstmord trieb, war der dann ein Mörder? Gab es überhaupt ein Gesetz, um so jemanden zu bestrafen? Das war doch mehr als Stalking, mehr als grober Unfug, mehr als Erpressung, Nötigung, Bedrohung. Ein junges Mädchen war tot, und tief in sich drin fürchtete Leon, dass auch Johanna über kurz oder lang so eine schlimme Dummheit begehen könnte.
    Leon vermied jeden Lärm und machte nicht einmal das Licht an, bis er in seinem Zimmer ankam. Er erschrak, denn auf seinem Bett saß sein Vater.
    »Wieso hockst du hier im Dunkeln?«, fragte Leon.
    »Ich … ich muss mir dir reden.«
    Sein Vater war zwar immer noch von einer Alkoholwolke umgeben, doch Leon registrierte, dass er nicht völlig besoffen war, sondern sich in einem Zustand befand, in dem man durchaus noch mit ihm reden konnte.
    »Es ist schon spät«, sagte Leon.
    Sein Vater nickte. »Ja. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät. Ich … ich wollte dich bitten …«
    Leon fürchtete schon, dass sein Vater ihn um Geld anhauen würde, aber dann kam alles ganz anders.
    »Ich wollte dich um Verzeihung bitten. Ich habe mich schrecklich benommen. Ich habe mich völlig hängenlassen. Du bist viel stärker als ich, Leon. Dabei müsste es doch umgekehrt sein. Ich bin dein Vater und … Als deine Mutter umgebracht wurde und sie mich als Mörder verhaftet haben, da ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Ich bin untergegangen wie die Titanic. Ich konnte mich nicht mal mehr wehren. Meine größte Angst war, dass auch du mich für den Täter hältst und dass ich deine Liebe verliere.«
    »Ich hab dich keine Sekunde für Mamas Mörder gehalten.«
    »Ich weiß. Aber ich fürchte, nun habe ich deine Liebe trotzdem verloren, weil ich mich benommen habe wie ein Hornochse. Ich war wie tot, wie … Jedenfalls habe ich dann versucht, mich zu betäuben. Mit Alkohol geht das ja auch eine Weile, aber …«
    Leon setzte sich zu seinem Vater aufs Bett. Er nahm ihn in den Arm, um ihn zu trösten. Dabei beschlich ihn das merkwürdige Gefühl, einen kleinen Jungen zu halten und nicht etwa seinen Vater.
    Ist das so, dachte er, dass sich irgendwann im Leben die Dinge umdrehen? Dann sind wir für unsere Eltern da und nicht mehr sie für uns. Und wie lange ist das bei uns schon so?
    Gern hätte er seinem Vater jetzt von seinen eigenen Sorgen erzählt. Von seiner Zerrissenheit, von seiner Wut und davon, dass er fürchtete, heute nicht nur seine Freundin Johanna verloren zu haben, sondern auch noch seinen guten Job beim »Delmenhorster Kreisblatt«. Seinen Traumjob, um genau zu sein. Und seine Traumfrau. Beides an einem Tag.
    Bisschen viel, dachte er. Aber vielleicht gewinne ich am gleichen Tag ja meinen Vater zurück. Schaffte hier gerade das Schicksal, oder wie immer man es nennen wollte, einen Ausgleich?
    »Du kannst hier bei dieser Frau nicht bleiben«, sagte Leon, und sein Vater nickte traurig.
    »Ja, das stimmt. Das alles, das war ein Irrtum. Ich will zurück zu Kirsten.«
    »Papa«, sagte Leon sanft, »Mama ist tot.«
    »Ich weiß, verdammt! Ich weiß. Aber ich will es immer noch nicht wahrhaben. Und ich Idiot habe diese wundervolle Frau betrogen, mit der da …« Er zeigte auf die Tür, als sei Trudi gerade hereingekommen. Doch das blieb den beiden zum Glück erspart.

66
    Der kleine ostfriesische Vorgarten war verwildert. Sanddorn und Schmetterlingsflieder

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