Neongrüne Angst (German Edition)
Verehrer an der Leine geführt worden. Und wenn er an die verpatzte Chance mit Lars Schafft dachte, wurde ihm klar, dass auch sein Leben zunehmend von diesem Anrufer beeinflusst wurde. Der hatte Johanna unter Kontrolle, und Leon fühlte sich inzwischen so etwas wie mit-abhängig.
Irgendwo, dachte er, entscheidet einer irgendwas, und das hat dramatische Auswirkungen auf mich. Damit muss endgültig Schluss sein.
Als er einnickte, war es, als würde das schwarze Loch ihn aufsaugen. Es war ein schönes Gefühl. Das Gefühl, von der Welt zu verschwinden.
Dann träumte er einen Heldentraum. Johanna stand auf einem sinkenden Schiff. Es war riesig, wie er die Titanic im Kino erlebt hatte. Das Schiff sank, und es waren nicht genug Rettungsboote da. Er selbst stand auf einem Eisberg, aber ihm war überhaupt nicht kalt. Er sprang ins Wasser und pflügte sich durch die Wellen hin zu ihr.
Sie rief seinen Namen. »Leon! Leon!«
Und dann, als sie sich an Bord nicht mehr halten konnte, weil das Schiff kippte und sie mit den restlichen an Deck verbliebenen Passagieren ins Wasser klatschte, war er mit wenigen Zügen bei ihr, packte sie und zog sie zu einer Eisscholle.
Die verwandelte sich in ein aufblasbares Gummiboot. Es war sogar ein Segel daran, das ihm in wachem Zustand sicherlich lächerlich vorgekommen wäre, doch im Traum wirkte es majestätisch.
Mit einem blauen Kinderpaddel versuchte er, das Boot fortzubewegen, bis dann schließlich der Wind das Segel so sehr blähte, dass er das Paddel nur noch zum Steuern benutzte.
Sie sah ihn glücklich an und lobte seine Tapferkeit. Sie hielt sich an seinen Beinen fest, und als jemand versuchte, sich am Boot hochzuziehen, wollte er ihn zunächst an Bord holen, aber dann war es eine zombiehafte Gestalt, die sofort um sich biss.
Er schlug mit dem Paddel zu und stieß den Untoten ins Wasser zurück.
Er hielt Johanna im Arm, und sie lagen gemeinsam im Boot. Die Wellen schaukelten, und sie konnten den Sternenhimmel sehen. Aber um sie herum waren Schreie von Menschen in höchster Not zu hören.
Er wollte Johanna küssen, doch plötzlich hielt er nicht mehr Johanna im Arm, sondern Tanja. Dann griffen Zombiehände nach ihm und rissen ihn aus dem Boot ins Wasser.
Jetzt trieb das Gummiboot ab. Er sah Johanna, die daraufstand und sich gegen die Bisse der Untoten wehrte, während er selbst unter Wasser gedrückt wurde.
Mit dem dringenden Gefühl, zur Toilette zu müssen, wurde er wach und taumelte noch im Halbschlaf ins Badezimmer. Er war schweißgebadet.
Am liebsten hätte er jetzt heiß und kalt geduscht, aber er fürchtete, jemanden zu wecken. Er wollte rücksichtsvoll sein und jedem Stress aus dem Weg gehen. Er wusch sich nur das Gesicht.
Er wollte nicht mehr schlafen, sondern die E-Mails und Fotos von Bonnie nach Hinweisen durchforschen. Das schien ihm sinnvoller. Einerseits sehnte er sich nach Schlaf, andererseits fürchtete er sich davor. Er wollte nicht wieder zwischen Zombies bei der untergehenden Titanic im Eis landen.
68
Nein, sie hatte das flauschige Nachthemd nicht angezogen. Sie lag auf dem Bett und trug sogar noch ihre Schuhe, so als müsse sie bereit sein, jeden Moment zu fliehen. Sie hatte zu frieren begonnen und sich deswegen, obwohl sie vollständig angezogen war, mit einer Wolldecke zugedeckt.
Als die erste Panik verflogen war, begann sie, kühl, ja fast mit erschreckender mathematischer Genauigkeit, ganz logisch und emotionslos ihre Situation zu analysieren.
Ich befinde mich in einer Ferienwohnung in Norddeich. Gut 280 Kilometer entfernt von zu Hause. Die Ferienwohnung gehört einem Freund von mir, der mich auf seinem Motorrad hierhergebracht hat, um mich angeblich in Sicherheit zu bringen. Er ist ein guter Kerl, Rettungssanitäter, und hat mir mehrfach in Not beigestanden. Aber irgendwie hat er auch einen Hau. Meine Mama würde es Paranoia nennen.
Ich bin mit ihm völlig allein in dieser Wohnung. Sein Vater ist tot, seine Mutter dement, zumindest behauptet er das. Er hat alles voller Lebensmittel, so als wolle er hier mit mir ein paar Wochen lang aushalten. Das heißt, er muss das geplant haben. Als er mich auf seinem Motorrad mitgenommen hat, war das keine spontane Idee, sondern …
Sie zog die Decke höher, so sehr begann sie zu frieren. Sie zitterte sogar und rieb ihre Knie aneinander.
Wollte er mich schon bei dem kleinen Verkehrsunfall mitnehmen? Ist da noch irgendetwas schiefgelaufen? Ist er ein romantischer Held oder ein Wahnsinniger? Bin ich nur von
Weitere Kostenlose Bücher