Neongrüne Angst (German Edition)
Lungen und atmete dann erst noch einmal ruhig ein, bevor er sagte: »Ich glaube das so nicht. Der will dich nur verrückt machen. Der macht überhaupt nichts. Auch dieser Unfall auf der Columbusstraße ist bestimmt nur zufällig passiert. Der hängt sich einfach an solche Dinge dran, verstehst du? Der behauptet, etwas getan zu haben, und die Zeitungen und Nachrichten sind doch voll von irgendwelchen schlimmen Dingen. Und wenn du das dann immer ihm zuschreibst, dann wird er immer größer und immer mächtiger. Dabei sitzt der in Wirklichkeit nur irgendwo und überlegt sich, mit welchem Anruf er dich beim nächsten Mal aufschrecken kann.«
»Vielleicht hat er das Verbrechen ja längst begangen, aber man hat es noch nicht entdeckt.«
»Johanna! Bitte mach dir keine Sorgen. Niemand hat ein Verbrechen begangen. Und es werden auch keine Verbrechen mehr geschehen. Der Typ lässt dich ab jetzt in Ruhe.«
»Ja, du hast gut reden.«
»Ich versprech’s dir. Du wirst nie wieder von ihm hören. Das Ganze ist vorbei.«
»Und woher willst du das wissen, du Hellseher?«
»Es war Volker Krüger. Wer denn sonst?«
»Ja, das glaube ich auch. Aber …«
»Und dem hab ich gestern Abend deutlich seine Grenzen gezeigt und ihn auf ein erträgliches Maß zurechtgestutzt.«
»Du hast was?«
Nicht ohne Stolz sagte er jetzt: »Ich hab ihm eins in die Fresse gehauen.«
»Du hast dich mit Volker geprügelt?«
Leon stellte klar: »Nein, ich habe ihn verprügelt. Er ist ein aufgeblasener Wichtigtuer, der es schon lange nicht mehr draufhat. Der war vielleicht früher mal ein gefährlicher Schläger, aber dafür hat er zu viel Bier getrunken, sich zu viele Trips reingepfiffen und zu viele Zigaretten geraucht. Er ist zu einer Art Punchingball geworden.«
Sie war nicht gerade voll des Lobes, sondern konnte nicht fassen, was er ihr da erzählte. Einerseits war sie gerührt, wie sehr Leon sich für sie einsetzte. Aber sie fürchtete, dass ihr daraus nur noch mehr Ärger entstehen könnte.
»Bist du wahnsinnig?«, fragte sie.
»Nein. Ich liebe dich. Wenn du das als Wahnsinn bezeichnen möchtest, dann …«
»Was glaubst du denn, was jetzt passiert?«
»Gar nichts. Es ist jetzt vorbei, Johanna.«
»Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder er war es, dann wird er jetzt noch viel wütender sein und noch viel schlimmere Dinge machen, oder er war es nicht, dann hast du einen Unschuldigen verprügelt.«
»Erstens war er es, und zweitens, selbst wenn nicht, unschuldig ist Volker Krüger nicht. Der hatte es verdient, dass ihm mal einer die Grenzen zeigt. Und das hab ich ein für alle Mal getan. Keine Angst, Johanna, ich hab ihn nicht abgestochen. Ich hab ihm einfach was aufs Maul gehauen. Vielleicht hab ich ihm das Nasenbein gebrochen, aber mehr auch nicht … Ich kann mir vorstellen, dass er jetzt noch blöder aussieht als vorher, aber er wird es überleben.«
»Und wenn er dich anzeigt?«
Jetzt musste Leon herzhaft lachen. »Na klar, der Hirni verprügelt dauernd Leute, rennt aber zur Polizei, wenn ihm selbst mal das Gleiche geschieht.«
Während des Gesprächs freundete Leon sich immer mehr mit seiner Tat an. Er hatte das Gefühl, seitdem anders dazustehen. Fester mit den Füßen auf dem Boden. Nicht so leicht wegzuschieben oder umzupusten.
Ja, er war Leon Schwarz, und er würde seine Freundin beschützen. Wenn es ihm schon nicht gelungen war, seine Mutter vor ihrem Mörder zu retten, so würde er wenigstens seine Freundin schützen.
Dieser Gedanke schoss ihm durch den Kopf und trieb ihm die Tränen in die Augen. Gleichzeitig öffnete sich hinter ihm die Tür zum Klassenzimmer, und Megan Black winkte ihm.
»Hey, Leon Black, come on!«
Sie wollte ihn zurück in die Klasse holen, wo jetzt irgendetwas passierte, das unbedingt in die Zeitung sollte, wie Leon vermutete.
Er verabschiedete sich von Johanna. Eigentlich wollte er das Handy küssen, aber jetzt tat er es nicht, sondern sagte nur: »Tschüs, Mensch, ich muss, ich bin mitten in einem Termin.«
13
Heute gab es bei den rauchenden Grüppchen Oberschüler vor der Edith-Stein-Schule nur ein Thema: den Überfall auf Pit Seidel.
Angeblich hatte er sich auf dem Rückweg vom Freimarkt befunden. In der Nähe des Bürgerparks in der Ludwigsburger Straße hatte man ihm von hinten eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt und dann mit einem Baseballschläger zugehauen.
Johanna lief durch zur Toilette und rief von dort noch einmal Leon an. Er hatte sein Handy inzwischen auf lautlos
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