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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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gestellt, weil er nicht noch einmal in der Klasse den Störenfried geben wollte. Deshalb sprach sie auf seine Maibox.
    »Bist du jetzt völlig verrückt? Hast du etwa auch Pit verhauen? So kenne ich dich ja gar nicht. Gibst du jetzt hier den Rambo oder was? Willst du mich damit beeindrucken? Ich steh nicht auf solche Machoscheiße! Ich hab mich in dich verliebt, weil du so ein sensibler, guter Typ warst. Meine Mama steht vielleicht auf Sylvester Stallone, aber ich nicht!«
    Die ersten zwei Schulstunden hatte Johanna verpasst. In der dritten saß sie im Matheunterricht und kapierte mal wieder nichts.
    Komisch, dachte sie, wenn Leon mir das erklärt, ist alles ganz logisch, und ich behalte es sogar. Aber bei Frau Kubek behalte ich nichts. Die Formeln werden zu leeren Zeichenkombinationen, ähnlich blödsinnig wie manche japanischen Schriftzeichen, die sich meine Klassenkameraden neuerdings so gerne auf die Oberarme tätowieren lassen.
    Sie fragte sich, ob sich die Dinge besser einprägten, wenn ein Mensch sie sagt, den man liebt? Liegt das Ganze an Leon? An Frau Kubek? Oder etwa an mir selbst?
    Sie wollte sich Mühe geben und stellte zweimal eine Zwischenfrage, die Frau Kubek geduldig beantwortete. Johanna nickte auch, als hätte sie alles verstanden, in Wirklichkeit waren die Worte von Frau Kubek für sie aber nicht mehr als ein lautes Rauschen.
    Und dann durchzuckte es sie wie ein Muskelkrampf. Ihr wurde glühend heiß, und mit einem Mal glaubte sie zu wissen, was der Anrufer vorhatte. Na klar! Er würde nicht irgendeinen Mist bauen, sondern ihr ganz deutlich zeigen, dass sein neues Verbrechen im Zusammenhang mit ihr stand. So wie er von der Havenbrücke die Mülltonnen auf die Straße geworfen hatte, so würde sein nächstes Verbrechen in direktem Zusammenhang mit der Achterbahn stehen.
    Er hatte im Telefongespräch so getan, als sei es schon geschehen. Aber es gab noch keine Meldungen.
    Sie war sich jetzt völlig sicher. Ja, es konnte nur so sein. Er hatte sich an den Wagen zu schaffen gemacht, und zwar gestern Nacht, als der Freimarkt geschlossen war.
    Bei der ersten Runde würde es einen schrecklichen Unfall geben. Sie musste verhindern, dass die Achterbahn wieder fuhr.
    Sie sah auf die Uhr. Es war kurz nach zehn. Vor elf startete der Fahrbetrieb garantiert nicht. Vielleicht sogar erst später. Gestern hatte die erste Fahrt um achtzehn Uhr begonnen.
    Sie musste hin. Unbedingt. Es galt, keine Zeit zu verlieren. Wer sagte denn, dass sie heute nicht schon viel früher begannen? Gestern, das war doch nur die Eröffnung gewesen.
    Johanna hielt sich eine Hand vor den Mund, blähte ihre Wangen auf, als müsse sie erbrechen und rannte zur Tür.
    »Ist dir schlecht?«, fragte Frau Kubek.
    »Hmm«, machte Johanna und stürmte hinaus.

14
    Er fuhr noch mit zum Bürgermeister. Er hoffte, es würde dort Kaffee geben. Gab es auch, aber zunächst Orangensaft für alle, und der schlug Leon übel auf den leeren Magen.
    Was der Bürgermeister sagte, hörte sich gut und witzig an. Leon schrieb wie mechanisch mit. Aber seine Gedanken waren ganz woanders.
    Es musste doch möglich sein, eine Art Fangschaltung zu installieren. Man konnte heutzutage jedes Handy orten. Es gab sogar Apps dafür. Es war doch nicht möglich, dass jemand nur seine Rufnummer unterdrückte und dadurch unentdeckt blieb.
    Dann fragte er sich, warum er jetzt darüber nachdachte, wenn er doch gerade dem Täter das Handwerk gelegt hatte. War er sich etwa doch nicht so ganz sicher?
    Er kam sich vor, als würde er sich selbst beobachten, als sei er eine Versuchsperson in einem psychologischen Experiment. Er hatte keine Angst davor, eine Anzeige zu bekommen und vor den Richter treten zu müssen, oh nein. Aber er hielt es durchaus für möglich, dass er später vor einer Kommission erscheinen musste, um sich zu rechtfertigen. Die sein Verhalten erklären wollten, weil er Teil eines Versuchs war, irgend so einer psychodynamischen Studie.
    Er erinnerte sich an das Stanford-Prison-Experiment. Da hatte man Studenten angeworben und ihnen erzählt, es sollte getestet werden, wie bestimmte Personen auf Schmerz und elektrische Stromstöße reagierten, ob sie sich dann besser konzentrieren könnten oder so ähnlich. In Wirklichkeit waren die Studenten Teil des Experiments. Sie fügten dem anderen natürlich gar keine Stromstöße zu, sondern es ging darum, in Erfahrung zu bringen, wie weit jemand im Namen der Wissenschaft bereit war zu gehen oder wie autoritätshörig sie

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