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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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begrenzte, war mit Kletterrosen überwachsen. Der Sheriff war ein Mann von etwa fünfzig Jahren, der seinen Besitz und seine politische Karriere im Griff hatte. Seine blaue Uniform saß eng auf dem kompakten, muskelharten Leib, und sein rundliches, frisch rasiertes Gesicht mit den direkt blickenden Augen vermittelte den Eindruck eines selbstsicheren Polizeichefs vom Lande, der leicht mit allen Schwierigkeiten fertig wurde, die von außerhalb auf ihn zukamen.
    Zu seinem Leidwesen erwies ich mich als die Ausnahme von der Regel.
    »Sie ist ertrunken«, sagte er. »Meine Deputies haben berichtet, daß ihr ein Eimer Wasser aus der Lunge lief, als sie sie von der Bahre nahmen.«
    »Sie hatte Einstichspuren an den Armen.«
    »Na und? Auch Süchtige ertrinken. Brauchen Sie eine Autopsie, um das festzustellen?«
    »Wissen Sie vielleicht, ob sie rechtshändig oder linkshändig war?«
    »Wovon sprechen Sie, zum Teufel?« antwortete er.
    »Sie hatte sich offenkundig regelmäßig in den linken Arm gespritzt, aber an ihrem rechten Arm war nur ein einziger Einstich zu sehen. Das müßte Ihnen doch was sagen.«
    »Das sagt mir, verdammt noch mal, überhaupt nichts.«
    »Wenn ein Fixer die Vene im einen Arm ramponiert hat, nimmt er den anderen. Aber ich glaube nicht, daß das Mädchen schon so lange an der Nadel hing. Ich schätze, jemand hat ihr einen goldenen Schuß verpaßt.«
    »Der Leichenbeschauer des Sprengels hat den Totenschein ausgestellt. Darin heißt es, daß sie ertrunken ist. Wenden Sie sichan ihn, wenn Sie die Sache wirklich weiterverfolgen wollen. Ich habe zu arbeiten, bin schon spät dran.« Er verließ die Pferdekoppel, zog sich auf dem Rasen die schmutzigen Gummistiefel aus und stieg in seine polierten halbhohen Stiefel. Ich konnte sein rundes Gesicht nicht sehen, als er sich vornüber bückte, aber ich hörte die mühsam unterdrückte Wut in seinen Atemzügen.
    »Das sind wirklich sehr schöne Araber«, sagte ich. »Ich kann mir vorstellen, daß die gut dreißigtausend Dollar bringen, wenn sie austrainiert sind.«
    »Das kommt nicht mal entfernt ran, Lieutenant. Wie ich schon sagte, ohne unhöflich zu sein, aber ich bin spät dran. Möchten Sie, daß ich Sie mit dem Leichenbeschauer bekanntmache?«
    »Ich glaube nicht. Aber sagen Sie mir, nur interessehalber, wie, glauben Sie, kann eine gesunde junge Frau, die ihre sämtlichen Kleider anhat, in einem schmalen Bayou ertrinken?«
    »Wie hätten Sie’s denn gern, Lieutenant? Wollen Sie eine schriftliche Bestätigung, daß sie an einem goldenen Schuß gestorben ist? Möchten Sie diese Bestätigung mit nach New Orleans nehmen? Also gut, Sie haben meine Erlaubnis. Uns tut das nicht weh. Aber was ist mit ihrer Familie? Die Kleine ist auf einer Zuckerrohrplantage etwa fünf Meilen von hier aufgewachsen. Ihre Mutter ist geistesschwach, ihr Vater halb blind. Wollen Sie vielleicht zu denen rausfahren und ihnen erklären, daß ihre Tochter eine Fixerin war?«
    »Das Ganze stinkt doch geradezu nach Mord, Sheriff.«
    »Lassen Sie sich noch zwei Dinge sagen, Partner, und ich möchte, daß Sie das wirklich verstehen. Ich vertraue auf das, was meine Deputies mir sagen, und wenn Sie sich beschweren wollen, dann gehen Sie gefälligst zum Leichenbeschauer. Und zweitens: Unsere Unterhaltung ist beendet.«
    Er schaute zu seinen Pferden weit draußen auf der Koppel, als wäre ich überhaupt nicht da, setzte sich seine Pilotensonnenbrille auf, stieg in seinen Cadillac und fuhr die kiesbestreute Auffahrt zum Highway hinunter. Ich kam mir vor wie ein Zaunpfahl im Boden.
    * * *
    Der Name des toten Mädchens war Lovelace Deshotels. Ihre Eltern lebten in einer der verwitterten, ungestrichenen Hütten an einer kleinen, unbefestigten Nebenstraße hinter einer der Zuckerrohrplantagen eines großen Konzerns. Die Hütten sahen alle gleich aus. Die kleinen, überdachten Verandas bildeten eine so gerade Linie, daß man einen Pfeil durch die gesamte Reihe hätte schießen können, ohne irgendwo Holz zu treffen. Die satten grünen Zuckerrohrfelder erstreckten sich über Meilen und wurden nur von ein paar alleinstehenden Eichen und der Silhouette der entfernten Zuckerfabrik unterbrochen, deren Schlote die Hütten im Winter mit ekligsüßem Gestank umgeben würden, bei dem einem die Augen tränten.
    Die Hütte sah aus wie tausend andere, die ich mein Leben lang überall in Louisiana und Mississippi gesehen hatte. Die Fenster besaßen keine Scheiben, sondern nur Läden aus Brettern, die oben an

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