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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Versagen zu tun wie mit Jugend und Erfolg. Die dunkelvioletten Wolken, die sich am südlichen Horizont über dem Golf aufgetürmt hatten, wurden von Wetterleuchten durchzuckt.
    An diesem Abend saß ich ganz allein in einer Loge beim Pferderennen und schaute ebenso entspannt wie fasziniert auf die hellerleuchtete Rennbahn, die sorgfältig angefeuchtete und geharkte Grasnarbe, den schimmernden, kurzgemähten Rasen auf dem Innengrün. Es war die gleiche unbestimmte, beinahe lähmende Euphorie, die ich immer empfunden hatte, wenn ich nach einer zweitägigen Sauftour sanft ins Delirium tremens abrutschte. Ich war plötzlich allwissend geworden. Mein weißer Tropenanzug leuchtete im Licht der Bogenlampen über mir. Ich holte mir das Geld für meine drei Platzwetten und zwei Gewinne nacheinander ab. Die Kellnerinnen im Clubhaus, alle mit einem Teint wie Pfirsiche, brachten mir geschälte Shrimps auf Eis sowie eine Portion Hummer und Steak und streiften absichtlich mit ihren Hüften meinen Arm, als sie meine schmutzige Serviette und den bluttriefenden Teller abräumten.
    Irgend jemand hatte mir mal gesagt, daß das, was sich ein Spieler am meisten wünscht, nämlich in die Zukunft sehen zu können, uns alle in den Wahnsinn treiben würde. Als ich an diesem warmen Sommerabend nach Hause zurückfuhr und sah, wieder Mond sich auf der Wasserfläche des Sees spiegelte und die Glühwürmchen in den Palmen und Eichen leuchteten, da fühlte ich ein leichtes Zittern in mir, wie das leise Klirren von Kristall oder die fast unhörbaren Resonanzen von mitschwingenden Gitarrensaiten – ein Hauch von Kassandras tragischer Gabe, und ich war geneigt, das Gefühl auf meine alten Alkoholikerängste zurückzuführen, die in meinem Unterbewußtsein herumwühlten wie blinde Schlangen. Aber einer, der auf der Rennbahn gewonnen hat, schert sich nicht um Vorsicht oder Stimmungen im Mondschein.

2
    Am nächsten Morgen verließ ich in aller Frühe New Orleans in südwestlicher Richtung und fuhr ins Bayou Country. Hier, im Süden Louisianas, war ich aufgewachsen, in der Nähe von New Iberia. Eichen, Zypressen und Weiden säumten die zweispurige Landstraße. Der Nebel hing noch wie zerrupfte Watte in den halb im Wasser stehenden toten Bäumen des Marschlandes. Das Röhricht war dicht und leuchtete intensiv grün in der Sonne. Die Lilien, die in dichten Kolonien am Ufer des Bayous wuchsen, waren über und über mit Blüten besät, die mit deutlich hörbarem Geräusch aufsprangen, ihre Blätter benetzt mit kleinen Tropfen von Quecksilber. Die Brassen und Barsche waren noch auf Futtersuche im schattigen Wasser nahe den Wurzeln der Zypressen. Silberreiher nisteten ein Stück weiter im Sand, wo die Sonne bereits über die Baumwipfel geklettert war, und hin und wieder erhob sich ein Graureiher von seinem Futterplatz dicht bei den Rohrkolben und schwebte mit vergoldeten Schwingen das lange Band des braunen Wassers entlang durch eine Schneise im Gehölz.
    Jetzt waren diese Bayous, Kanäle und Sümpfe, in denen ich meine Jugend verbracht hatte, das Revier der Barataria-Piraten. Im Vergleich zu ihnen waren ihre Namensvettern, die Bande von Briganten und Sklavenhändlern, die Jean Lafitte einst um sich geschart hatte, beinahe schon romantische Figuren. Die heutigen Piraten setzten sich zusammen aus Marihuana-, Kokain- und Heroinschmugglern, die da draußen auf dem Golf ohne Skrupel eine ganze unschuldige Familie umbrachten, um mit ihrem Boot eine einmalige Lieferung an Land zu bringen und es danach durch Öffnen der Seeventile zu versenken. Manchmal fand die Küstenwache eines dieser Boote halb voll Wasser irgendwo auf einer Sandbank gestrandet, das Deck mit Blut beschmiert.
    Aber war das schon so schockierend und abstoßend? Die gleichen Leute brachten es fertig, ein Kleinkind mit einer Injektion zu töten, den Leichnam zu konservieren und ihm den Bauch mit Heroinbeuteln zu füllen. Dann gingen weibliche Kuriere damitunbehelligt durch den Zoll, als trügen sie ihr schlafendes Kind auf dem Arm.
    Der Sheriff des Sprengeis Cataouatche war nicht im Gerichtsgebäude, sondern auf seiner Pferderanch außerhalb der Stadt. Er hatte Gummistiefel an den Füßen und fütterte gerade zwei Vollblutaraber, die in einer kleinen, abgetrennten Koppel standen. Das Wohnhaus war frisch geweißt und besaß eine breite, mit Fliegendraht geschützte Veranda. Rings um das Haus standen Azaleen und flammendrote Hibiskusbüsche. Der langgestreckte weiße Zaun, der die Pferdekoppeln

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