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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Es war die gleiche Bande, die jeden Samstagabend auf Niggerjagd ging, ausgerüstet mit Zwillen, Tonkugeln und Stahlkugeln aus Kugellagern. Die Neger, die in der Kegelgrube arbeiteten, konnten nicht viel dagegen tun, wenn sie von Besoffenen oder von frechen Schuljungs beschimpft wurden, aber Jimmie tat sich keinerlei Zwang an, sondern entschied sich immer für sofortige Vergeltung. Er war gerade dabei, in der Grube neben mir vier Kegel auf einmal aufzunehmen, sein T-Shirt völlig verdreckt und die Haare schweißnaß, als eine Kugel knapp seine Kniescheibe verfehlte und an das Lederpolster am Ende der Bahn krachte. Eine Minute später passierte das gleiche noch mal. Er zog die Schranke herunter, um die Bahn zu sperren, ging in eine der anderen Gruben und kam mit einem Spucknapf zurück, der mit den Resten von Red-Man-Kautabakgefüllt war. Er goß das Zeug in das Daumenloch der Bowlingkugel, stopfte es mit einem Kaugummi zu und rollte die Kugel die Schiene entlang zu den Spielern zurück.
    Einen Augenblick später hörten wir lautes Fluchen. Wir bückten uns, um unter den Schranken hinauszuschauen, und sahen einen riesigen, drahthaarigen Kerl, der mit einem angewiderten Ausdruck auf seine Hand starrte.
    »He, Partner, reib dir was von dem Zeug auf die Nase! Steht dir bestimmt prima!« brüllte Jimmie ihm zu.
    Drei von den Burschen erwischten uns auf dem Parkplatz, nachdem die Bowlingbahn geschlossen war, und machten uns fünf Minuten lang fertig, ehe der Besitzer herauskam, die Bande verjagte und uns sagte, wir seien beide gefeuert. Jimmie lief ihrem Pickup hinterher und zielte mit Steinen auf die Fahrerkabine.
    »Wir holen uns eine Zeitungstour«, sagte er später. Sein Gesicht war erhitzt und staubig und übersät mit den Spuren angetrockneten Schweißes. »Wer will schon sein ganzes Leben Kegelbursche spielen? Heutzutage kann man mit Zeitungaustragen ’ne Menge Geld verdienen.«
    Natürlich änderten wir beide uns, als wir in Lafayette aufs College gingen, und in vieler Hinsicht ließen wir die Welt der Cajuns, der unser Vater angehörte, hinter uns. Ich ging schließlich zur Army und wurde nach Vietnam geschickt, während Jimmie zur Nationalgarde ging, eine Hypothek auf das Häuschen und die kleine Farm aufnahm, die uns unser Vater hinterlassen hatte, und in der Decatur Street in New Orleans ein Café aufmachte. Später kaufte er sich in das erste von mehreren Restaurants ein, trug teuren Schmuck und modische Anzüge von Botany 500 und nahm die Umgangsformen der Leute an, die im Garden District von New Orleans wohnten und Mitglieder im Southern Yacht Club waren – in erster Linie, weil er dachte, sie würden mehr von Geld und Macht verstehen als er selbst, und bald schloß sich ihm eine endlose Kette attraktiver Frauen an und verließ ihn wieder. Jedesmal wenn ich ihn an der Canal Street oder in seinem Restaurant mit einer Gruppe gutgelaunter Geschäftsleute sah, wie er lächelnd und wohlmeinend auf ihren banalen Humor einging, dann leuchtete das alte Bild für kurze Zeit in meiner Erinnerungauf wie in einem Spiegel, und ich sah wieder den Jungen im Overall vor mir, wie er eine Schar Hühner in den Ventilator scheuchte oder mit Steinen nach einem in der Dunkelheit verschwindenden Pickup warf.
    Didi Gee und mein Bruder speisten gerade in einer der mit rotem Leder gepolsterten Nischen hinten im Raum, als ich das Restaurant betrat. Didis Bauch und Hüften hatten die gleichen Konturen wie drei aufeinandergelegte Schläuche von Lastwagenreifen. Seine Hände waren groß wie Bratpfannen, sein Nacken dick wie ein Feuerhydrant, sein lockiger schwarzer Kopf so rund und dick wie eine Kanonenkugel. Als junger Bursche war er Geldeintreiber für eine Gruppe Kredithaie in Algiers gewesen, drüben, auf der anderen Seite des Flusses. Daher kam auch die Geschichte, daß er Leuten die Hände in ein Aquarium voller Piranhas gesteckt hatte. Außerdem wußte ich aus zuverlässiger Quelle, daß ein Bulle in Gretna ihm ein Stück aus der Schulter geschossen, so groß wie das Kernhaus eines Apfels, und sich geweigert hatte, einen Krankenwagen zu rufen, sondern ihn einfach auf dem Gehsteig liegenlassen hatte, damit er verblutete. Er überlebte jedoch und sorgte dafür, daß der betreffende Polizist aus dem Dienst entlassen und später von jedem neuen Job gefeuert wurde, bis er endlich für Didi Gee als Lotterieeinnehmer arbeiten mußte – eine Art menschliches Ausstellungsstück, das Didi Gee sich hielt wie eine mit Stecknadeln gespickte

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