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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Dschungelpfad. Irgendwann fiel ich in einen tiefen Morphiumtraum, und in der damit einsetzenden Stille, wie man sie vor der Geburt empfinden mag, hörte ich nur noch meinen eigenen Atem und das angestrengte Atmen der vier Männer, die mich trugen, und auch diese Geräusche wurden langsam zu einem kollektiven Summen, ähnlich dem Geräusch, mit dem das Blut durch eine Nabelschnur pulsiert. Ich spürte undeutlich, wie die Männer einmal eine kurze Rast einlegten und mich sanft auf dem Boden niederließen, um einen neuen Tropf mit Serum-Albumin anzuschließen, aber ich wachte erst wieder gegen Morgen auf, als ich das Donnern der Rotorblätter des Rettungshubschraubers über dem Landeplatz hörte. Ich blickte aus meinem dunklen Kokon auf und sah, wie sich der Junge aus Georgia aus dem hellen Licht über mich beugte und mit seinen Händen, die so sanft waren wie die einer Frau, mein Gesicht berührte.
    Die Hände, die mich auf der obersten Etage des Parkhauses unten am Fluß aus dem Kofferraum meines Wagens holten, waren nicht die vertrauten Hände der Männer aus meinem Zug. Trotz der Dunkelheit und des dichten Regens erkannte ich ihre Gesichter. Es waren der Israeli, der Nicaraguaner, Philip Murphy und Bobby Joe Starkweather, die mich anstarrten, als sei ich irgendein ekelerregendes Objekt, dessen Gestank ihre Nasenlöcher weitete und sie vor Schock weiß anlaufen ließ. Sie stellten mich auf die Beine und klemmten mich dann irgendwie ansSteuer meines Wagens, ehe sie die Tür zuschlugen. Mein Kopf fühlte sich an, als sei ich mit Novocain betäubt, mein Mund hing weit offen, ohne daß ich ihn schließen konnte, mein Kinn und mein Hals waren feucht von Erbrochenem, und meiner Hose entströmte der eklig süße Gestank von Exkrementen. Durch die Windschutzscheibe konnte ich die roten und grünen Positionslichter der Frachtkähne draußen auf dem Mississippi sehen, während aus dem regengepeitschten Wasser dichte Dunstwolken aufstiegen. Es wirkte wie eine Szene aus dem Fegefeuer.
    Sam Fitzpatrick wurde neben mir auf den Beifahrersitz verfrachtet und seine Kleidung mit Bier und Whiskey übergossen. Ich versuchte, meinen Kopf oben zu halten, und streckte den Arm aus, um ihn zu berühren, aber das Kinn fiel mir immer wieder auf die Brust, und meine Worte waren nur dicke Blasen auf meinen Lippen. Seine Augen waren nach oben verdreht, und bei jedem Atemzug tropfte frisches Blut aus seiner Nase auf seine Hemdbrust. Mein Gesicht fühlte sich taub an, beinahe wie tot, die Haut straff gespannt wie bei einem Totenschädel, und ich spürte, wie mein Mund sich unwillkürlich zu einem bösartigen Grinsen verzerrte, als wolle ich dem Schicksal einen schmutzigen Witz über meine Hinrichtung erzählen. Dann stieg plötzlich ein ekelhafter Geschmack aus dem Magen hoch, mein Kopf fiel vornüber, und ich fühlte etwas wie nasses Zeitungspapier in meiner Brust zerreißen. Im nächsten Moment hörte ich, wie ich mich in einem großen Schwall durch das Lenkrad auf den Wagenboden erbrach.
    Jemand hatte den Motor angelassen, und ein nackter Arm mit Muskeln wie Geldrollen griff an mir vorbei und stellte den Schalthebel des Automatikgetriebes auf Fahrt. Der Regen prasselte unaufhörlich auf den Fluß nieder.
    Der Wagen rollte auf die niedrigen Schutzplanken zu und wurde immer schneller, während ich hilflos versuchte, den Türhebel zu packen und aufzuziehen, aber meine Finger fühlten sich an, als seien sie mit Nadel und Faden zusammengenäht. Zuerst konnte ich die Uferpromenade erkennen, eine hellerleuchtete Straße unter mir, auf der zahlreiche Autos fuhren, und die schwarzen Dächer der niedrigen Lagerschuppen. Dann, als der Wagen beinahe die Schutzplanken und den Rand des Betondacheserreicht hatte, sah ich nur noch den Himmel und den strömenden Regen, der mir entgegenfiel, und in der Ferne ein Flugzeug, dessen Positionslichter in der Dunkelheit in regelmäßigen Abständen aufblitzten.
    Ich hörte, wie die Leitplanke von der Stoßstange meines Wagens verbogen und kurz darauf aus der Verankerung gerissen wurde, als die Vorderräder die Kante des Daches erreicht hatten und der Wagen vornüber kippte und ins Leere stürzte, ähnlich wie auf dem höchsten Punkt einer riesigen Achterbahn. Das Heck des Wagens rollte jetzt ebenfalls vom Dach des Parkhauses. Ich wurde gegen das Lenkrad gepreßt und sah durch die Windschutzscheibe, wie mir die Straße immer schneller entgegenkam. Mein Mund war weit aufgerissen zu einem Schrei, der mir für alle Zeiten

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