Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
kleinen Spielen und Selbsttäuschungen nach, während wir für euch die Kastanien aus dem Feuer holen. Ich will ja in Ihrer Lage nicht auf Ihnen rumhacken, aber es ist wirklich nicht besonders fair, wenn Sie hier anfangen und andere Leute beschimpfen. Sie sind doch ein gebildeter und erfahrener Mann, und ich möchte, daß Sie mir eine Frage ehrlich beantworten. Sie haben doch die Leute gesehen, die in unserem Land hier auf der anderen Seite stehen, diese Friedensmarschierer, die Atomwaffengegner, die Leute, die immer schreien, wir sollten uns aus Mittelamerika zurückziehen. Und was sind das für Leute?« Seine heruntergezogenen Mundwinkel hoben sich zu einem leichten Lächeln, und er ließ den Blick amüsiert über mein Gesicht streifen. »Ein paar von denen sind Lesben, stimmt’s? Nicht alle natürlich, aber immerhin ein paar, das müssen Sie doch zugeben. Und dann gibt’s andere, die einfach was gegen Männer haben. Sie mögen weder ihre Väter noch ihre Brüder oder ihre Ehemänner, und schließlich richtet sich ihr Zorn gegen jede männliche Autoritätsperson – den Präsidenten, die Kongreßabgeordneten, Generäle, eben alles, was einen Schwanz hat. Und dann kommen die allgemein Unzufriedenen«, fuhr er fort. »Das ist also die Sorte professioneller Verlierer, die ein Geschichtsbuch nicht von ’nem Sears-Roebuck-Katalog unterscheiden kann, aber begeistert jeden Umzug und jede Parade mitmacht. Ich bin sicher, Sie haben die Sorte zur Genüge im Fernsehen gesehen, als Sie drüben in Vietnam waren. Am meisten ans Herz gewachsen sind mir aber die Pantoffelhelden. Ihre Ehefrauen schleppen sie ständig zu irgendwelchen Versammlungen mit, die nie zu was führen, und wenn sie sich gut betragen, dann läßt Mutti sie einmal in der Woche oder so ran.
Ich glaube nicht, daß Sie zu dieser Gruppe gehören, Lieutenant, aber vielleicht täusche ich mich auch in Ihnen. Ich würde sagen, was Sie betrifft, so wollten Sie im Grunde ihres Herzens einfach immer nur dabeisein und mitspielen. Das ist Pech für Sie, denn es wird Zeit, daß wir ein paar Figuren vom Spielbrett eliminieren.«
»Ich wüßte da eine Lektüre für Sie«, antwortete ich. »Gehen Sie mal runter ins Archiv der Times Picayune und lesen Sie die Artikel drüber, was mit Leuten passiert ist, die einen Polizeibeamten von New Orleans umgelegt haben. Es mag nicht unbedingt unsere größte Stunde gewesen sein, aber man sollte es sich doch eine Lehre sein lassen.«
Er lächelte, als sei er über sich amüsiert, und biß wieder in seinen Hamburger, während er immer wieder erwartungsvoll zur Hintertür schaute. Fünf Minuten später kam Bobby Joe Starkweather mit einer Papiertüte unter dem Arm aus dem Regen hereingestürzt. Sein T-Shirt und die blauen Jeans waren völlig durchnäßt, und seine Muskeln zeichneten sich unter dem nassen Stoff wie ein Knäuel ineinander verschlungener Schlangen ab.
»Ich hab das Zeug. Räumen wir also den Weißbrotfresser aus dem Weg und sehen zu, daß wir loskommen«, sagte er. »Hast du mir ’nen Hamburger mitgebracht?«
»Ich dachte mir, du magst ihn nicht kalt«, sagte Murphy.
»Wirklich großartig, mit dir zusammenzuarbeiten, Murphy«, gab Starkweather zurück.
»Du kannst gern den Rest von meinem haben«, bot Murphy ihm mit ruhiger Stimme an.
»Danke, nein. Ich bin noch nicht gegen Tollwut geimpft.«
»Wie du willst. Aber dann hör auf, uns die Ohren vollzujammern.«
»Paß lieber auf, Murphy. Ich hab den Schnaps besorgt, wofür du mir zwölf Dollar schuldig bist, und mir kommt der Regen aus allen Löchern, während ihr hier im Trocknen sitzt und euch die fettigen Finger leckt. Also provoziert mich nicht.«
Murphy kaute weiter auf seinem Hamburger herum und schaute ins Leere. Starkweather wischte sich Gesicht und Arme ab, zündete sich mit seinem Zippo-Feuerzeug eine Lucky Strike an, klappte das Feuerzeug wieder zu und steckte es mit Hilfe seinesdicken Daumens in die Uhrtasche. Er inhalierte den Rauch, ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen, und holte eine Flasche Seagram’s Whiskey, eine Sechserpackung Jax-Bier, eine Dose Tabletten und eine braune Medizinflasche aus der Tüte, die er mitgebracht hatte, und stellte die Sachen auf den Tisch. Dann durchwühlte er die Werkbank, bis er einen Gummitrichter und ein altes Einmachglas mit rostigen Nägeln gefunden hatte. Er schüttelte die Nägel auf die Werkbank und kehrte mit Glas und Trichter zum Tisch zurück. Sein rasierter Kopf sah von der Seite aus wie ein großes
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